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Der Sohn des Haeuptlings

Der Sohn des Haeuptlings

Titel: Der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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für jede spätere Vorstellung waren fünf Mark ausgemacht. Dafür konnte man einiges in Kauf nehmen.
    „Mein vergessener Spickzettel will mir einfach nicht aus dem Kopf“, flüsterte Emil Langhans, als er zwischen Karlchen Kubatz und Hans Pigge an den Bankreihen entlangkroch. Noch in der großen Pause hatte er den übrigen Glorreichen Sieben seine Geschichte erzählt. „Mir wird jetzt noch schwindlig, wenn ich dran denke“, flüsterte er weiter.
    „War ja auch selten dämlich“, bemerkte Paul Nachtigall, der Boß der Glorreichen Sieben. Er ging bereits in die 9 C, wo Studienrat Purzer Englisch gab. „Er hat sich benommen wie ein King“, fügte Paul hinzu. Er hätte dich doch kaltlächelnd dem Direx melden können.“
    „Hat er aber nicht“, meinte Emil Langhans. „Nach der Stunde hab’ ich ihn im Korridor übrigens abgepaßt und mich bedankt. Wißt ihr, was er geantwortet hat?“
    „Mach’s nicht so spannend“, zischte Manuel Kohl, der sich neugierig zwischen die anderen herangeschlichen hatte.
    „Bedanken? Ich wüßte nicht, wofür“, hat er geantwortet und gegrinst dabei. Als er dann weitergegangen ist, meinte er noch: „Du hast ja keine Ahnung, wie vergeßlich ich manchmal sein kann —“
    „Das find’ ich allerdings Klasse“, gab Hans Pigge zu.
    Inzwischen hatte Theaterdirektor Friedebold an der
    Spitze der Apachen die erste Bankreihe erreicht. Er blickte sich um und richtete sich auf. „Ich denke, ab hier könntet ihr brüllen, eure Waffen schwingen und auf die Bühne stürmen.“
    „Ich hätte da noch eine ganz andere Frage“, meldete sich Karlchen Kubatz zu Wort. „Vorhin, als wir bei der Probe zugehört haben, sagte Winnetou doch, daß er viertausend Krieger zur Verfügung hätte. Wir sind aber nur runde vier Dutzend, und das Publikum wartet doch bestimmt darauf —“
    „Du scheinst mir ein kleiner Schlaumeier zu sein“, unterbrach ihn der Theaterdirektor und war keinesfalls ärgerlich. Die Frage schien ihm sogar willkommen zu sein. „Daran habe ich natürlich auch gedacht“, meinte er selbstgefällig. „Aber an einer anderen Stelle laß ich Old Shatterhand einmal sagen, daß ihr lediglich ein Spähtrupp seid, und daß die Hauptmacht in einem gewissen Abstand hinter euch hergaloppiert.“
    „Aha, und diese Hauptmacht bekommt das Publikum natürlich nie zu sehen?“ bemerkte Karlchen Kubatz.
    „Irgendwie doch“, meinte Herr Friedebold und lächelte spitzbübisch. „Im zweiten Akt steht nämlich Winnetou da oben auf dem Felsen und ruft ganz laut: ,Hinter mir in diesen endlosen Wäldern warten viertausend tapfere Krieger auf mein Zeichen, um euch, verdammte Sioux, endgültig zu vernichten!’“ Herr Friedebold sprach diese Worte so laut, wie er es wohl mit dem jungen Schauspieler eingeübt hatte. Jetzt wischte er den Schmutz von den Knien an seiner Hose und fügte leise hinzu: „Ihr glaubt gar nicht, was man mit der Phantasie seines Publikums alles zusammenzaubern kann.“

Ein Professor, der eine Registrierkasse im Kopf Hat und noch mehr

    Etwa zur selben Zeit schlenderte ein älterer, hochgewachsener Herr mit schlohweißen Haaren im Einkaufsmarkt Edeka am Rathausplatz durch die Gänge mit den fast übervollen Regalen. Er trug eine goldgefaßte Brille und war für sein Alter auffallend schlank. Seine Schultern waren etwas gebeugt. Vermutlich vom vielen Sitzen an einem Schreibtisch und vom Studieren. Denn Herr Keller war Professor der Naturwissenschaften. Allerdings hatte er seinen Lehrauftrag schon seit Jahren an die Universität zurückgegeben und beschäftigte sich seitdem nur noch mit privaten Forschungen.
    Für die Bad Rittershuder Bürger war der Gelehrte eine schillernde und zugleich ein wenig geheimnisvolle Persönlichkeit. Er wohnte ganz allein in einem alten Haus bei den Schrebergärten am Güterbahnhof. Es war von der Straße aus kaum zu sehen, weil es im Lauf der Jahre hinter verwilderten Hecken und Bäumen fast ganz verschwunden war. Der Professor fand nie Zeit für seinen Garten. Und Frau Erika Bandel machte ihm wohl regelmäßig das Nötigste in seinem Haushalt, aber damit war sie eigentlich schon überfordert. Immerhin hatte sie ja ihre Milchbar in der Ahornstraße am Bein. Von der lebte sie, und dem Gelehrten half sie nur aus Gefälligkeit.
    „Quark könnte ich noch brauchen und Joghurt“, überlegte Professor Keller.
    „Und Butter ist auch keine mehr in Ihrem Kühlschrank“, bemerkte Frau Bandel. Sie schob den Einkaufswagen hinter den Gelehrten her und

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