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Der Sohn des Haeuptlings

Der Sohn des Haeuptlings

Titel: Der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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als Mister Webster seine Limousine zum Halten brachte. Pennyfull flitzte ins Freie und riß zuerst für Mrs. Webster und dann für ihren Mann die Wagentüren auf.
    In seiner Flanellhose und dem buntkarierten Hemd kam der „Chef für Indianische Angelegenheiten der amerikanischen Regierung“ auf Kuguah zu. Kaum einen Meter vor ihm blieb er stehen, lächelte mit ehrlicher Freude in den Augen und breitete stumm die Arme aus. Mehr konnte er im Augenblick nicht tun, denn das erste Wort gehörte dem Häuptling.
    Aber auch Kuguah blieb vorerst stumm.
    Er hatte gleichfalls seine Arme weit ausgebreitet, was den Zweimetermann noch größer erscheinen ließ. Er erwiderte eine ganze Weile Mister Websters herzlichen Blick.
    Die Krieger hatten ihren Tanz unterbrochen, und die Trommeln schwiegen.
    Alle Apachen beobachteten neugierig ihren Häuptling und den Regierungsbeamten aus Chicago.
    „Ho—“, sagte Kuguah endlich in das Schweigen hinein.
    „Ho —“, antwortete Mister Webster.
    Die beiden Männer traten aufeinander zu und umarmten sich. Als sie sich wieder voneinander lösten, sprachen beide noch einmal das indianische Begrüßungswort.
    „Ho-!“
    „Ho-!“
    Daraufhin begannen die Krieger wieder zu tanzen, wirbelten Speere und Tomahawks durch die Luft, knallten mit ihren Gewehren.
    Die jungen Burschen schlugen mit flachen Händen dabei so laut auf die Trommeln ein, daß beim besten Willen kein Wort mehr zu verstehen war.
    Mit großer Geste wies Kuguah auf seine Krieger und dann zum Eingang seines Zeltes.
    Die beiden Websters mußten vorausgehen. Der Häuptling folgte ihnen an der Seite seines Ratgebers.
    Zum Schluß kam Pennyfull.
    Er trug einen Stapel Pakete vor sich her, der ihn fast verdeckte.
    Vor dem Eingang des Zeltes drehte sich Mister Webster noch einmal um und zeigte sich mit seiner ganzen breiten Vorderfront den versammelten Apachen.
    Und was geschehen mußte, geschah. Kuguahs Krieger und alle Apachen, die auf den Großen Platz gekommen waren, hielten sich jetzt nicht mehr zurück. Sie umringten ihre Gäste und brachen dabei in freudige Rufe und laute Schreie aus. Sie wollten den dicklichen Mister Webster schon wie einen siegreichen Boxer mit ihren starken Armen hochheben, als Kuguah die Gäste gerade noch rechtzeitig in seinem Zelt in Sicherheit brachte.
    Nachdem sich die allgemeine Begeisterung wieder einigermaßen gelegt hatte, lösten sich zehn ältere Krieger aus der Masse und verschwanden jetzt auch im Tipi des Häuptlings.
    Die übrigen Apachen hockten sich, wo sie gerade standen, mit angezogenen Knien auf die Erde. Wenn sie von den Gesprächen, die jetzt wohl bald im Zelt des Häuptlings geführt wurden, auch kein Wort verstehen konnten, so wollten sie doch in der Nähe sein. Sie schwiegen, und nur von drüben, wo die Frauen zusammensaßen, waren manchmal Kinder zu hören.
    Im Inneren des Zeltes reichte Kuguah zuerst Mister Webster die Friedenspfeife. Sie blieb auch seiner Frau nicht erspart. Aber sie nahm die vorgeschriebenen drei Züge ohne mit der Wimper zu zucken, und es gelang ihr sogar ein freundliches Lächeln dabei.
    Man saß im Kreis. Die Gäste auf ledernen Kissen. Die Häuptlinge und der Rat der Krieger auf nacktem Boden.
    „Ich freue mich, meinen weißen Bruder und seine Frau wieder einmal bei uns zu sehen“, begann Kuguah das Gespräch, nachdem die Friedenspfeife ihre Runde gemacht hatte.
    Obgleich er mindestens neunzig Jahre alt sein mußte, war er schlank gewachsen und durchtrainiert bis auf die letzte Sehne. Hochaufgerichtet in seiner ganzen Größe saß der muskulöse Oberkörper unter dem Leopardenfell auf seinen Hüften wie ein König auf seinem Thron.
    „Auch ich bin erfüllt von Freude“, erwiderte Mister Webster, „weil ich meinen Bruder Kuguah nach so langer Zeit wieder gesund in die Arme schließen durfte.“ Dabei öffnete er eine große Kiste mit Zigarren, die ihm Pennyfull auf ein Zeichen hin herübergereicht hatte, und übergab sie dem Häuptling. „Ich weiß, daß mein großer Bruder nicht nur die Pfeife des Friedens raucht.“
    „Ein Laster, das man mir meines hohen Alters wegen verzeihen mag“, lächelte Kuguah.
    „Und da auch Chingachgook und seine Krieger diesen Genuß zu schätzen wissen“, erwiderte Mister Webster und gab seinem Butler ein zweites Zeichen, „habe ich auch für sie ähnliche Aufmerksamkeiten mitgebracht.“
    Währenddessen ging Pennyfull bereits von einem der am Boden sitzenden Indianer zum anderen und verteilte die mitgebrachten

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