Der Sohn des Haeuptlings
vorsichtig.
Die versammelten Indianer antworteten nicht sofort und blickten weiterhin vor sich auf die Erde. Allerdings zogen sie dabei etwas häufiger, als es notwendig gewesen wäre, an ihren Zigarren.
Endlich richtete sich der Häuptling auf.
„Als wir gehört haben, daß unser großer Bruder nur noch ein letztes Mal zu uns kommt, hat der Rat unseres Stammes beschlossen, die Tage des Walkan an den Tagen deines Besuches zu begehen —
Es wäre Kuguah vermutlich leichtergefallen, den Raub einer Viehherde zu gestehen oder den Überfall auf einen der Öltürme, mit denen die Weißen jetzt immer näher an die Grenzen des Reservats heranrückten. Das wären im Sinne der Väter immerhin vertretbare Taten gewesen.
Aber die Sache mit der Verschiebung des Walkan-Festes allein diesem Mister Webster zuliebe, das grenzte schon sehr an Sentimentalität. Und so etwas durfte sich ein ganzer Indianerstamm bei Lichte besehen eigentlich nicht leisten.
Natürlich hatten auch Apachen ihre Gefühle. Nur zeigen durften sie sie nicht.
Da Mister Webster aber keine Rothaut war, sagte er ganz offen, was er in diesem Augenblick empfand: „Das
Herz deines Bruders ist tief gerührt.“ Und zu seiner Frau bemerkte er: „Das ist so unwahrscheinlich, daß es mich glatt vom Stuhl haut.“ Er schüttelte den Kopf und fügte leise hinzu: „Ich hoffe, es ist dir klar, was das bedeutet?“
„Ich ahne es“, flüsterte Mrs. Webster.
Das Ganze war tatsächlich ein tolles Stück! Zum Fest des Walkan kamen nämlich alle Söhne der Apachen mit ihren Herden aus den entlegensten Ecken des Reservats nach Mapimi. Wer es nicht besser wußte, hätte glauben können, daß der alljährliche Viehmarkt der eigentliche Grund für diese Zusammenkunft des ganzen Stammes sei. Denn in diesen Tagen kamen ja auch Händler und Einkäufer aus allen Himmelsrichtungen, um den Apachen ihre Jagdtrophäen, Pelze, Felle und eben auch ihr Vieh abzukaufen.
Aber wichtiger als diese Handelsgeschäfte, von denen sie ja wieder ein Jahr lang leben mußten, war den Söhnen der Apachen das eigentliche Fest selbst. Und dabei waren wiederum die Nächte von besonderer Bedeutung.
Große Feuer wurden angezündet, die Trommeln kamen nicht zur Ruhe, und die Krieger tanzten bis zur Erschöpfung.
In diesen Nächten des Walkan war der Medizinmann des Stammes, der sonst nur einsam in seiner Hütte lebte, das eigentliche Oberhaupt der Apachen. Nur von ihm durften jetzt Ehen geschlossen, Männer in den Rat des Stammes gewählt und Jünglinge zu Kriegern erklärt werden.
Mister Webster drückte sich von seinem Kissen ab und stand auf. Augenblicklich erhoben sich auch die Häuptlinge und ihre Krieger.
Nun trat der Mann mit dem bunten, großkarierten Hemd auf Kuguah zu und umarmte ihn heute schon zum zweitenmal. „Ich danke euch allen“, sagte er und schämte sich nicht, weil seine Augen einen feuchten Glanz bekommen hatten.
„Wir wissen, was mein weißer Bruder in Washington für uns getan hat“, erwiderte Kuguah. „Wir werden nie vergessen, daß sein großes Herz für die Sache der Indianer schlägt.“
Mister Webster umarmte, ohne ein weiteres Wort zu sagen, jetzt auch den alten Chingachgook und alle anderen Krieger des Rates. Einen nach dem anderen.
Das Fest des Walkan
Rund um den See war es wie ausgestorben.
Nur der Wasserfall war zu hören. Ein Habicht schwebte mit ausgebreiteten Flügeln vom Gebirge herunter und zog seine Kreise.
Was Beine hatte, drängte sich drüben im Dorf und vor dem Zelt des Häuptlings.
Auch der Liegeplatz der Kanus war völlig verlassen. Bis auf zwei Indianerjungen, die in einem der Boote und im Schatten einer steilen Felswand nebeneinander lagen. Schon fünf oder sechs Stunden lagen sie so. Sie hatten sich weder durch die Signalfeuer noch durch das Buah-Hu-Geschrei stören lassen. Sie wußten ja, was das alles bedeutete und daß jetzt der erwartete hohe Besuch angekommen war. An anderen Tagen hätten sie sich wie alle übrigen unter die Neugierigen gedrängt. Aber nicht heute. Nicht am ersten Tag des Walkan.
Diese beiden Jungen, die hier in ihrem Kanu nebeneinander lagen, gehörten zu den „Gezeichneten“. Eine ganze Woche lang hatten sie nackt und nur mit Pfeil und Bogen versehen auf sich allein gestellt in den Wäldern leben müssen. Um nicht zu verhungern, hatten sie Vögel geschossen und, bis zur Brust im Wasser stehend, mit den Händen Fische gefangen. Und damit sie nicht von Raubtieren oder Schlangen angefallen wurden, waren sie
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