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Der Sohn des Haeuptlings

Der Sohn des Haeuptlings

Titel: Der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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gibt Tage, da geht sie nicht in den Briefkasten. Ganz abgesehen von den Besuchern, die ihn zu Besprechungen ins Hotel zum Kurfürsten einladen oder mit schicken Autos und piekfeinen Lederköfferchen zu ihm ins Haus kommen.“
    Frau Bandel kam sich ein wenig wichtig vor und sprudelte wie ein Wasserfall. „ Und immer häufiger passiert es, daß er Hals über Kopf, und ohne vorher ein Wort zu sagen, kurze Reisen antritt. Ich komme ahnungslos ins Haus, und die Wohnung ist leer. Irgendwann klingelt dann auf einmal das Telefon, und er ruft mal aus Hamburg an oder mal aus Düsseldorf. Er hätte es leider total verschwitzt, mir Bescheid zu sagen, entschuldigt er sich dann, und im übrigen sei er morgen oder übermorgen wieder zurück. Sein Kopf muß mit Wissenschaft so vollgestopft sein, daß er darin für andre Dinge gar keinen Platz mehr hat. Aber inzwischen erschüttert mich ja nichts mehr.“
    „Stimmt also der alte Witz doch“, bemerkte Vater Treutlein, „daß Professoren bei jeder Gelegenheit ihren Hut oder ihren Schirm vergessen.“
    „Solang es dabei bleibt, geht’s ja noch“, lachte die Besitzerin der Milchbar in der Ahornstraße.
    In diesem Augenblick befreite Corny Treutlein die Frau des Chefredakteurs von ihrer Trockenhaube und machte sie behutsam wieder wach. Frau Kubatz schlug die Augen auf und blickte sich verwundert um.
    „Mein Gott, habt ihr euch denn gar nichts zu sagen, es war ja mäuschenstill hier drin“, meinte sie und tröstete dann ihren Mann. „Wenn du deine Pfeife ausgeraucht hast, bin ich auch mit meinen Haaren fertig.“
    Inzwischen transportierte ein Teil der Bad Rittershuder Schüler die für München zusammengebastelten Transparente und blau-gelben Fahnen zum Bahnhof und deponierte sie dort in der Gepäckaufbewahrung. Von dort konnte man sie dann morgen früh im Handumdrehen zu den Waggons bringen. Denn die Sonderzüge, die aus der Kreisstadt kamen, durften die Strecke nicht blockieren und mußten deshalb in einer Viertelstunde abgefertigt werden.
    Die übrigen Jungen der beiden Schulen, und unter ihnen die Glorreichen Sieben, hatten zur selben Zeit wieder einmal eine Probe für die Osterfestspiele in der Freilichtbühne, deren Beginn sich ausgerechnet heute verzögerte.
    „Guten Tag, alle gleich mal herhören“, hatte der Theaterdirektor seine jungen Statisten begrüßt. „Unsere Werkstätten haben heute bereits die Kostüme geliefert, und die Garderobiers werden sie jetzt unter euch verteilen.“
    Es zeigte sich danach, daß der Kopfschmuck der Apachen und Sioux aus weißen oder rotgefärbten Gänsefedern bestand. Die Lendenschurze waren aus Wachstuch fabriziert und die Tomahawks aus Holz. Silberbronze sollte anstelle von Metall die Waffen gefährlich erscheinen lassen.
    „Was die Mokassins betrifft, so erwarten wir noch ein günstiges Preisangebot“, verkündete Herr Friedebold. „Notfalls könntet ihr ja auch barfuß gehen.“
    Unter den Schülern brodelte es unheilvoll. Trotzdem ließen sie vorerst die Verkleidung über sich ergehen.
    „Wie beim Kindermaskenball“, grollte Karlchen Kubatz. „Da kommt man sich ja ziemlich blöd vor.“
    „Wir sind hier leider nicht in Hollywood“, erwiderte der Theaterdirektor. „Und dann müßt ihr euch noch die Hautfarbe dazudenken. Selbstverständlich werdet ihr am ganzen Körper geschminkt. Schließlich seid ihr Rothäute.“
    „Auch das noch“, stöhnte Paul Nachtigall.
    „Ich fordere Gagenerhöhung“, rief Ulli Buchholz von der Maximilianschule. „Da geht ja hinterher das ganze Geld für Seife drauf.“
    „Natürlich werdet ihr von unseren Maskenbildnern nach jeder Vorstellung wieder abgeschminkt“, versuchte der Theaterdirektor seine Indianerstatisten zu beruhigen. „Im übrigen habe ich noch eine erfreuliche Nachricht.“ Er kletterte von seinem Regiestuhl auf eine Bank. „Unsere Aufführung wird eine ungeahnte Bereicherung erfahren. In harten Kämpfen mit der Rathauskasse ist es mir gelungen, drei sogenannte ,Stuntmen’ mit ihren Pferden und einen echten Indianer namens Häuptling Schwarzfeder zu engagieren. Die Herren arbeiten üblicherweise als Sensationsdarsteller beim Fernsehen, Film und manchmal auch in einem Zirkus. Die drei ,Stuntmen’ können auf Kommando Pferde mitten im Galopp stürzen und sich abwerfen lassen, während der Indianer die Kunst des Lassowerfens, des Bogenschießens und des Tomahawkwurfs beherrscht. Leider ist die Tagesgage dieser Künstler außerordentlich hoch, so daß wir sie erst ab der

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