Der Sohn des Haeuptlings
Illustrierten und wartete mit feuchtem Haar auf die Lockenwickler.
Von der Straße her war das Quietschen einer Bremse zu hören, ein Motor röhrte kurz auf und wurde dann abgestellt. Gleich darauf klingelte die Ladenglocke, und der Chefredakteur der Bad Rittershuder Nachrichten schneite durch die Tür. Vor dem Schaufenster konnte man sein knallrotes Cabrio sehen. „Guten Morgen allerseits“, sagte Herr Kubatz. „Unsere Mannschaft ist gerade mit Pauken und Trompeten losgedonnert.“ Dann rief er zu seiner Frau in der Damenabteilung hinüber: „Na, wie weit bist du? Wir müssen auch bald starten, wenn wir noch rechtzeitig zum Training im Olympiastadion sein wollen.“
„Höchstens noch eine Viertelstunde“, antwortete Corny. „ Ihre Frau sitzt unter der Haube, macht ein kleines Nickerchen und kann Sie momentan nicht verstehen, Herr Kubatz.“
„Wie schön für sie“, lachte der Chefredakteur, und der ganze Salon lachte mit. Außer Frau Kubatz natürlich.
„Sonst was Neues?“ fragte Studienrat Dr. Purzer.
„Im Blumengeschäft am Rathausplatz fabrizieren die Kohls mit ihren Angestellten schon seit sechs Uhr morgens ganze Gebirge von Girlanden für den Empfang unserer Fußballhelden, wenn sie nach dem Spiel zurückkommen. „
„Ein wenig voreilig vielleicht“, bemerkte Studienrat Dr. Purzer. „Andererseits ist es ja schon ein Phänomen, daß unser FC überhaupt dabei ist.“
„Und falls wir eins auf die Nase kriegen“, ergänzte Herr Kubatz vergnügt, „was ja zu vermuten ist, wird in der ganzen Stadt niemand auf die Idee kommen, einen Zusammenhang zwischen der Niederlage und dem Können unserer Mannschaft zu vermuten.“ Er stopfte sich eine Pfeife. „O nein, dann können nur geheimnisvolle kosmische Kräfte oder so etwas Ähnliches das Unglück herbeigezaubert haben!“
Studienrat Dr. Purzer kicherte und wollte schon in ein Gelächter ausbrechen. Aber Vater Treutlein warnte ihn. „Bitte jetzt nicht bewegen, Herr Studienrat, wenn ich Sie nicht schneiden soll.“ Er hatte gerade damit angefangen, die linke Wange gegen den Strich zu rasieren.
„Ich finde es aber gar nicht schön, jetzt schon von einer Niederlage zu reden“, rief Frau Erika Bandel aus der Damenabteilung herüber. „Im Augenblick und auch morgen im Stadion sollten wir alle von unserem Sieg überzeugt sein. Wieso setzen wir uns sonst überhaupt in die Sonderzüge?“
„Ein wahres Wort“, warf Bademeister Pohmann ein. „Ich fahre übrigens schon heute nachmittag mit dem Bus um drei Uhr fünfzehn.“
„Aha, genau wie die Herren Bemmelmann und der ganze Skatklub“, sagte Vater Treutlein lachend. „Da wird dann abends kräftig auf die Pauke gehauen—!“
„Gehört ja auch dazu, wenn man schon mal in München ist“, erwiderte Herr Pohmann.
„Wir sind nicht so vergnügungssüchtig“, ließ sich Frau Bandel wieder hören. „Wir nehmen morgen früh den zweiten Sonderzug um sechs Uhr achtunddreißig.“
„Und es stimmt tatsächlich, daß der Professor mitfährt?“ wollte der Chefredakteur der Bad Rittershuder Nachrichten wissen.
„Das ist so sicher wie die Steuer“, versicherte die Besitzerin der Milchbar. „Ich hab’ ja schon die Fahrkarten in der Tasche, und es ist ausgemacht, daß ich ihn rechtzeitig telefonisch wecke.“
„Übrigens, am Montag ist’s mal wieder soweit“, ließ sich jetzt Fritz Treutlein hören. Montags war der Frisörsalon ja geschlossen, und alle drei Wochen verdiente sich der Lehrling ein zusätzliches Taschengeld, wenn er mit seinen Scheren und Bürsten in der Ledertasche zum Haareschneiden in die Haselnußstraße hinausradelte.
„Laß dir diesmal aber Zeit, weil wir doch erst nachts zurückkommen“, meinte Frau Bandel. „Vielleicht will der
Professor ausschlafen.“ Sie legte jetzt ihre Illustrierte weg, weil Corny mit den Lockenwicklern kam. „Und klingele ein paarmal. Es könnte ja sein, er denkt nicht dran, daß er dich bestellt hat. Je mehr er arbeitet, um so vergeßlicher wird er in der letzten Zeit.“
„Was macht er eigentlich“, fragte Herr Kubatz ein wenig neugierig.
„So genau weiß ich das auch nicht“, erwiderte Frau Bandel. „Wenn er in seinem Laboratorium verschwindet, dreht er den Schlüssel herum, und ich darf da auch gar nicht saubermachen. Aber es muß schon ziemlich wichtig sein, was er hinter seiner verschlossenen Tür ausknobelt. Jedenfalls kommen Ferngespräche von überall her, manchmal sogar vom Ausland, und seine Post wird auch immer mehr. Es
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