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Der Sohn des Haeuptlings

Der Sohn des Haeuptlings

Titel: Der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Weidenmann
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ich einem Gedanken nachhänge, der über den Augenblick —“ Karlchen Kubatz unterbrach sich und tat so, als sei er aus einem Traum wieder in die Wirklichkeit zurückgerufen. „Entschuldigung—“ murmelte er nur und wandte sich wieder seinem Heft mit der Klassenarbeit zu.
    „Entschuldige dich nicht“, widersprach Dr. Purzer. „Ich würde tatsächlich etwas dafür geben, wenn du mir sagen würdest, was du gerade gedacht hast.“
    „Wirklich?“ fragte Karlchen treuherzig.
    „Ja, wirklich.“
    „Und ganz ehrlich?“ wollte der kleine Junge mit dem Bürstenhaarschnitt jetzt wissen.
    „Ganz ehrlich“, wiederholte der Studienrat.
    „Sie würden mir die ungeschminkte Wahrheit nicht übelnehmen?“
    „Eher umgekehrt“, meinte Dr. Purzer. „Ich würde es dir übelnehmen, wenn du schwindelst.“
    „Schön“, sagte Karlchen nach einer Weile. „Ich habe über Klassenarbeiten nachgedacht.“ Er lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. „Über Klassenarbeiten an sich, im besonderen und im allgemeinen.“
    „Das Ergebnis deiner Gedankenarbeit?“
    „Klassenarbeiten sind in jeder Beziehung ungerecht“, stellte der kleine Junge fest.
    Die Klasse brodelte in unterschwelliger Zustimmung. „Und inwieweit, wenn ich fragen darf?“ wollte der Studienrat wissen.
    „Die Schüler schuften, quälen sich und schwitzen wie Kohlentrimmer ein paar tausend Meter unter der Erdoberfläche“, erwiderte Karlchen Kubatz so sachlich, als würde er nur feststellen, daß Wasserstoff geruchlos sei und im übrigen das leichteste aller Gase.
    „Aber das ist doch sicherlich nur der Anfang deines zeitlosen Gedankens?“ fragte Dr. Purzer belustigt.
    „Die Schüler werden also unverschuldet nach Strich und Faden gefoltert“, wiederholte Karlchen Kubatz dem Sinne nach und fuhr fort. „Während sich zur selben Zeit der Lehrkörper bedenkenlos seiner eigentlichen Aufgabe entzieht und sich zu einer Tätigkeit degradiert, die zum Beispiel auch eine Wach- und Schließgesellschaft wahrnehmen könnte, wobei allerdings —“
    Die Klasse johlte jetzt beifällig, so daß Karlchens letzte Worte nicht mehr zu verstehen waren.
    Der kleine Junge mit dem Bürstenhaarschnitt richtete sich deshalb auf und hob seine Stimme an: „Wobei allerdings zu bedenken ist, daß die Angestellten der erwähnten Einrichtung ihren Dienst und, wohlbemerkt, zu Fuß absolvieren müssen —“
    „ — und nicht gemütlich auf einem Stuhl sitzend und die Zeitung lesend“, unterbrach ihn Studienrat Dr. Purzer. Er wollte noch etwas sagen, ließ aber den Rest seines Satzes im allgemeinen Gelächter untergehen. Gleichzeitig kreuzte er allerdings ein paarmal seine erhobenen Hände übereinander: „Um Himmels willen, beruhigt euch. Wir wollen doch den Direktor nicht erschrecken, falls er zufällig im Korridor spazierengeht.“
    Als es daraufhin in der Klasse wieder einigermaßen ruhig geworden war, sagte Karlchen Kubatz ziemlich leise in die Stille: „Und so ein himmelschreiendes Unrecht trifft uns kurz vor Beginn der Osterferien.“ Er blickte jetzt fast traurig zu Studienrat Dr. Purzer hinüber.
    Die Schüler der 8 B ließen sich nur zu gern von dem kleinen Jungen mit dem Bürstenhaarschnitt anstecken. Ihre Gesichter drückten deutlich aus, daß sie auf dieser Welt so ziemlich jede Gemeinheit für möglich hielten.
    „Große Geister haben es zuweilen an sich, daß sie Kleinigkeiten übersehen“, gab Dr. Purzer nach einer Weile zu bedenken. Er stand auf, legte die Hände auf den Rücken und wanderte zu dem offenen Fenster hinüber. „Sie, sehr geehrter Herr Kubatz, haben bei Ihren Überlegungen ganz vergessen, daß eure Klassenarbeiten ja hinterher gelesen, korrigiert und schließlich noch zensiert werden müssen —“
    „Zumindest von der letztgenannten Anstrengung würden wir die Lehrerschaft jederzeit gern dispensieren“, bemerkte der Klassensprecher Emil Langhans, und die 8 B scharrte zustimmend mit den Schuhsohlen.
    „Das könnte euch so passen“, lachte Studienrat Dr. Purzer. „Im übrigen schlagen wir uns mit euren Klassenarbeiten die Freizeit um die Ohren. Und dabei wäre die Besteigung des Nanga Parbat im Vergleich zum Durchackern eurer oft kaum lesbaren Traktate bestimmt ein Kinderspiel, kann ich euch flüstern.“
    „Jedenfalls, ob Lehrer oder Schüler“, bemerkte Karlchen Kubatz nach einer Weile allen Ernstes, „der Mensch ist nicht für die Arbeit geschaffen, was dadurch bewiesen wird, daß sie müde macht.“
    Die Klasse wieherte und

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