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Der Sohn des Sehers 01 - Nomade

Titel: Der Sohn des Sehers 01 - Nomade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Schüler!«
    »Curru?«, fragte der Yaman.
    Der Alte nickte und trat nun seinerseits an den offenen Sarg. Lange blickte er stumm hinein. Als er schließlich zurücktrat, sah Awin, dass er wirklich tief erschüttert war. »Sollte er sprechen, so kann ich ihn nicht hören, sollte er Zeichen senden, vermag ich sie nicht zu erkennen. Es ist eine dunkle Stunde.«

    »Sag, Curru, was sind das dort für Zeichen an den Wänden?«, fragte Mewe plötzlich.
    Awin hatte die schwarzen Striche schon bemerkt, ihnen aber keine Aufmerksamkeit geschenkt. Sie waren dicht unter der Decke auf alle vier Wände gemalt. Es waren einfache schwarze Linien mit einem nach links gewendeten Kopfstrich. Als er sie nun näher betrachtete, erkannte er, dass sich diese Zeichen durch kleine zusätzliche Striche oder Punkte voneinander unterschieden.
    »Es sind alte dhanische Zeichen«, meinte Curru, als er sie eine Weile angestarrt hatte, »Zeichen, wie sie die Maghai verwenden.«
    Von den Maghai hatte Awin gehört. Das waren mächtige Zauberer, doch es gab nur noch wenige von ihnen, wie es hieß. Gesehen hatte er jedenfalls noch keinen.
    »Und was bedeuten sie?«, fragte der Yaman.
    »Ich vermag das nicht zu lesen, doch ich glaube, dass es einen Schutzzauber oder etwas Ähnliches darstellen soll. Offenbar hat er nicht gewirkt«, meinte Curru kopfschüttelnd. »Maghai!«, setzte er voller Verachtung hinzu.
    »Und was sollen wir jetzt tun, Yaman?«, fragte Mewe, der immer noch die Zeichen an der Wand anstarrte.
    Aryak dachte einen Augenblick nach, dann sagte er bedächtig: »Wir werden zuerst den Sarg wieder schließen. Dies ist das wenigste, was wir für Etys tun können. Ich fürchte, wir können auch nicht viel mehr tun. Um das Grab angemessen herzurichten und zu versiegeln, fehlen uns die Mittel. Auch ist dieser Ort nun entweiht. Wir werden nach Tiugar gehen, wenn das hier vorbei ist. Aber nur, wenn wir den geraubten Heolin in unseren Händen halten, können wir es wagen, das Ross-Orakel um Auskunft und Hilfe zu bitten.«
    Awin hatte die Stadt noch nie gesehen - Tiugar, die Verborgene,
deren Lage kein Fremder kannte. Sie war die einzige steinerne Siedlung der Hakul, und dort weideten die Weißen Stuten, das mächtigste Orakel seines Volkes. Er wusste, dass der Yaman Recht hatte. Ihre Sippe war seit alters her verantwortlich für dieses Grab. Das war eine große Ehre, aber eine noch größere Verpflichtung.
    »Willst du es den Männern sagen?«, fragte Curru.
    »Wenn wir den Lichtstein nicht wiederbeschaffen, wird man unsere Sippe in Schande aus Volk und Stamm ausschließen. Die Männer sollten Bescheid wissen. Auch werden sie schon ahnen, was geschehen sein könnte. Doch darf es nicht nach außen dringen«, mahnte der Yaman. »Niemand außerhalb unseres Sgers soll davon wissen. Nicht, solange wir es vermeiden können. Begegnen wir anderen Hakul, so jagen wir einfach nur den Mörder unserer Brüder.«
    »Eine weise Entscheidung«, lobte Curru.
    Damit war alles gesagt. Sie hoben den zerbrochenen Deckel wieder auf den Sarg. Sie taten es zu dritt, denn Mewe wollte sich auf keinen Fall dem Großen Etys nähern. Als sie die Teile der Steinplatte auflegten, sah Awin die zerstreut im Sarg liegenden Fingerknochen. Aber auch er hätte es niemals gewagt, diesen heiligen Leichnam zu berühren.
     
    Am Lagerfeuer wurde wenig gesprochen in dieser Nacht. Die Nachricht von der Schändung des Grabes hatte die Hakul erschüttert. Selbst Sigil und Hengil waren bestürzt, obwohl sie doch bereits um ihre Familie trauerten. Im Schein des Feuers konnte Awin die Grabhügel sehen, die in einer Reihe aus losen Steinen aufgeschichtet worden waren. Awin hatte bereits, wie seine Sgerbrüder, seinem Pferd Mähnenhaare abgeschnitten und jedem der Toten einige davon ins Grab gelegt. Dies sollte ihnen helfen, auch im nächsten Leben viele gute Rösser zu finden,
mit denen sie, Seite an Seite mit den Ahnen, im Gefolge des Pferdegottes Mareket über die immergrüne Steppe jagen konnten. Morgen früh würden sie die Gräber verschließen, aber Curru sprach die Gebete noch in der Nacht, denn die Männer mussten mit dem ersten Licht des Tages fort. Die Frauen würden zurückbleiben. Eine Tatsache, die den dicken Bale sehr zu beschäftigen schien. Awin war zufällig in der Nähe, als er mit dem Yaman sprach. »Höre, Aryak, es sind nur drei Frauen, wie sollen die all das Vieh bis zu den Zwillingsquellen treiben?«
    »Es sind Hakul. Sie haben Vieh getrieben, seit sie laufen

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