Der Sohn des Sehers 03 - Renegat
bis zum Ufer und sahen, dass der Bach
etliche Längen breit war. Die Wipfel junger Erlen ragten aus den Fluten auf.
»Yeku sagt, wir sollen es versuchen. Er sagt, er kann schwimmen«, meinte Mahuk und kratzte sich am Hinterkopf.
Awin starrte hinüber zum anderen Ufer. Es sah nicht unmöglich aus, aber er erkannte auch, dass der Grund dieses Gewässers außerordentlich tückisch war. Durch das klare Wasser sah er große Steinblöcke und halb versunkene Bäume, die ein Gewirr schwer zu bezwingender Hindernisse ergaben.
»Gibt es einen anderen Weg hinüber?«
»Ein Stück aufwärts, auf der anderen Seite dieser Hügel, sollte es uns gelingen, diesen Bach zu überschreiten«, meinte Praane.
Nokke sah besorgt aus und schüttelte den Kopf.
»Du bist anderer Meinung?«, fragte Awin.
»Nein. Doch bringt uns das weiter nach Westen, als vielleicht gut für uns ist«, erwiderte der Akradhai.
»Die Behüterin?«, riet Awin ins Blaue.
»Wir sind immer noch ein gutes Stück von den Riesenfelsen entfernt«, meinte Praane. »Allerdings kann es sein, dass dieser Bach seine Quelle in ihrer Grotte hat.«
Sie mussten ein gutes Stück zurück, bis sie eine Stelle fanden, an der sie die Pferde ohne Gefahr über die steile Böschung des Hohlweges bringen konnten. Dann drangen sie in den Wald ein. Es ging einen großen Hügel hinauf. Ein schwerer Sturm musste hier vor einigen Jahren gewütet haben, denn viele Baumriesen lagen kreuz und quer übereinander. Dazwischen hatten zahllose junge Schwarzerlen und langstachlige Nadelbäume Wurzeln geschlagen. Das Totholz zwang sie zu vielen Umwegen. Sie überquerten den Hügel schließlich knapp unterhalb seiner Kuppe und sahen zunächst nichts anderes als weiteren, schier endlosen Wald. Zu seiner Linken entdeckte
Awin aber plötzlich über den Wipfeln drei hoch aufragende Felsen. Er blieb stehen. Das mussten die sogenannten Riesenfelsen sein. Sie waren viel näher, als er angenommen hatte, keinen halben Tag entfernt. Er sah sich um. Die Männer waren damit beschäftigt, die Pferde unbeschadet durch den Windbruch zu führen. Niemand außer ihm hatte ein Auge für die Umgebung. Er beschloss, seine Entdeckung für sich zu behalten, die Anspannung war groß genug.
Es dämmerte bereits, als sie den Bach wieder erreichten. Sie mussten eine ganze Weile suchen, bis sie im Steingewirr seines Ufers eine Stelle fanden, die auch die Pferde gut überwinden konnten.
»Ich bin sicher, diese Menschen sind in der Nähe«, meinte Tuge misstrauisch. Er sah zu, wie sein Pferd von Karak über den Bach geführt wurde, denn Wela hatte es ihm selbst wegen seiner Rippenprellung verboten.
»Wir haben nicht einmal eine Spur von ihnen gesehen«, sagte Jeswin leise. »Ist das nicht eigenartig? Wenn sie uns gefolgt sind, dann müssten wir doch beiderseits des Hohlwegs irgendwo Fußabdrücke oder irgendetwas anderes von ihnen finden, aber da war nichts!«
»Es sei denn, sie wussten, dass wir umkehren würden«, erwiderte Awin nachdenklich.
»Das heißt, die Unsichtbaren haben den Bach gestaut - eine Falle?«, fragte Tuge mit großen Augen.
»Nein, ich hoffe nicht«, antwortete Awin leise.
Die Männer brachten die letzten Pferde über den Bach, dann zogen sie eilig weiter. Awin lauschte auf die Geräusche des Waldes. Das Rauschen des Gewässers verklang allmählich hinter ihnen, Wasser tropfte von den langen Nadeln der Bäume, in der Ferne klopfte ein Specht, und darüber lag das schwere
Stampfen der Hufe auf dem Waldboden und das laute Keuchen der Männer. Awin wusste, dass sich darunter viele weitere Geräusche verbergen konnten, auch jene, die sie vor Gefahr gewarnt hätten.
Erst als es endgültig zu dunkel geworden war, um weiterzuziehen, schlugen sie das Lager auf.
»Sind wir weit vom Weg abgekommen?«, fragte Awin den Ore am Feuer.
»Ein wenig schon. Vielleicht hast du gesehen, dass uns zur Rechten, im Osten, Tannengehölze den Weg versperren. Nirgendwo findest du sie so dicht wie hier. Aber morgen sollten wir wieder auf unseren eigentlichen Pfad stoßen. Der Hohlweg endet in dem Bach, doch gibt es hier einen guten Pfad, der uns schnell voranbringen wird. Es ist ein kleiner Umweg, mehr nicht, Yaman.«
Die Hakul drängten sich schweigsam ums Lagerfeuer. Nachdem der Tag so quälend schwül begonnen hatte, war es nun empfindlich kühl geworden.
»Eine furchtbare Gegend, ein furchtbares Wetter«, murmelte Tuge mürrisch.
Praane nutzte die Gelegenheit, mit Wela - sie saßen zufällig nebeneinander am
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