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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Mauern und ehrfurchtgebietenden Tempeln - und sie hatte wohl trotz Praanes Beschreibungen insgeheim gehofft, eine doch irgendwie beeindruckende Stadt zu Gesicht zu bekommen.
    Aber Karno war eine Siedlung der Akradhai, aus Holz und Schilf errichtet, und so bot sie zunächst das Bild eines größeren Dorfes. Windschiefe Hütten mit schilfgedeckten Dächern lehnten sich aneinander, und von der Ordnung, für die die Städte im Süden bekannt waren, war hier nichts zu sehen. Es war ein einziges staubiges Durcheinander, und es roch überall durchdringend nach Fisch. Es gab eine breitere Straße, die sich in die Stadt hineinwand, und dieser folgten sie. Awin fiel auf, dass die Hütten sich in Gruppen zusammenballten und diese Gruppen von schmalen, verwinkelten Gassen getrennt wurden. Schweine wühlten im Dreck, und halbnackte Kinder rannten um die Ecken und versteckten sich, als der Sger herangeritten kam. Awin war, als würde er ferne Schreie aus der Stadt hören, und als sie weiterritten, sah er einige Hakul, die schwer beladen aus einem Haus traten. Ein zeternder Akradhai verfolgte sie, und eine weinende Frau versuchte, ihn zurückzuhalten. Es war
eine Plünderung. Offensichtlich wurde Eris Verbot nicht mehr allzu ernst genommen.
    Wesgian hatte es plötzlich eilig und ritt scharfen Trab. Die wenigen Akradhai, die sich auf der Straße blicken ließen, mussten sich an die Hüttenwände drücken oder in Seitengassen flüchten, wenn sie nicht niedergeritten werden wollten. Schließlich erreichten die Sgers einen freien Platz, einen Marktplatz wohl, der von zwei großen Gebäuden beherrscht wurde, die im Gegensatz zum Rest der Siedlung ganz aus Stein gemauert waren. Wesgian zügelte sein Pferd. »Das ist ihr Tempel, der Göttin der Äcker gewidmet«, erklärte er und zeigte auf einen abweisenden, fensterlosen Bau, »und das dort ist das Ordal, das Haus der Ältesten.«
    Der Platz war beinahe menschenleer, nur auf den Stufen zum Haus der Ältesten, einem grauen Gemäuer mit schmalen Fensterschlitzen, saßen einige Hakul, die kaum aufblickten, als die drei Sgers sich über den Platz verteilten.
    »Heda, Hakul, finde ich Blohetan im Ordal?«, rief Wesgian.
    Einer der Männer auf der Treppe blickte auf. Er kratzte sich am Bart und sagte: »Vorhin war er noch dort, doch ich weiß nicht, ob er euch empfangen kann.«
    »Bemühe dich nicht, mich anzumelden, Hakul, ich werde das selbst übernehmen«, meinte Wesgian und sprang vom Pferd.
    Der Hakul nickte gleichgültig.
    »Wenn diese Männer in meinem Sger wären, würde ich sie lehren, was es heißt, auf einem Kriegszug zu sein«, entrüstete sich Jeswin. Awin nickte zustimmend. Der Befehlshaber der Stadt schien die Dinge schleifen zu lassen.
    Sie folgten Wesgian ins Innere des Ordals. An einen kleinen Hof schloss sich ein enger Gang an, der an mehreren Kammern vorbei in eine von hölzernen Säulen gestützte Halle
führte. Diese immerhin war beeindruckend, und Wela strich mit Bewunderung über eine der schlanken, bunt bemalten Säulen. Im Saal herrschte große Unordnung, offenbar war ein Fest gefeiert worden. Tische und Bänke standen kreuz und quer oder waren sogar umgeworfen worden. Bronzenes Geschirr lag auf der Erde verteilt, und in einer Ecke sah Awin drei Hakul - die schliefen. Jeswin schnaubte verächtlich, und auch Awin hatte wenig Verständnis für dieses Bild der Verwüstung und der Sorglosigkeit. Die Hakul hatten eine feindliche Stadt besetzt. Wachsamkeit wäre angebracht gewesen, doch bislang hatte er davon nicht viel gesehen. Am Ende der Halle stand ein besonders breiter Tisch, dem ein Bein fehlte. Ein zerbrochenes Fass hatte seinen Platz eingenommen und hielt den Tisch nun mehr oder weniger gerade. Und auf einem Stuhl hinter diesem Tisch saß Blohetan und stierte sie aus glasigen Augen an. Er war ganz offensichtlich betrunken. Er sprang auf und warf dabei einen leeren Tonkrug um.
    »Wen bringst du da, Wesgian, mein Freund? Ist das nicht … ist das nicht Awin der Abtrünnige?«
    »Ich grüße dich, Yaman Blohetan«, erwiderte Awin, um die Form zu wahren.
    »Hast du dich doch entschlossen, dich dem ruhmreichen Heer anzuschließen, Awin Sehersohn?«, fragte Blohetan mit schwankender Stimme.
    »Eigentlich bin ich hier, um das Heer zur Umkehr zu bewegen«, antwortete Awin schlicht.
    »Umkehr? Wozu Umkehr? Und wohin? Nein, wir warten hier! Bis Eri mit dem Heer der Unsterblichen kommt. Und dann werden wir wieder kämpfen. Kämpfen und siegen. Nicht wahr, Wesgian, mein

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