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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Spannung, die über diesem Tag und dieser Stadt liegt , dachte er. Dann verließen sie das Ordal. Die Wächter hatten vor der Pforte ein eigenes kleines Gelage mit einem großen Krug Bier begonnen und beachteten sie gar nicht. Awin lief mit Merege und Mahuk schnell zum Tempel. Seine Gefährten waren schon dort. Sie lagerten auf der Treppe, bereit, jeden Fremden aufzuhalten, der das dachlose Heim der Inne betreten wollte. Limdin und Dare
schienen peinlich genau darauf zu achten, dass sie sich nicht zu nahe kamen.
    Awin besprach sich kurz mit Tuge und erfuhr, dass Jeswin im Morgengrauen hier sein würde. Merege und Wela waren unterdessen schon mit Mahuk Raschtar im Inneren verschwunden. Als Awin den Tempel betrat, kam ihm Mahuk aus der rückwärtigen Tür entgegen. Er deutete mit einem Kopfnicken auf den Durchgang. »Die Priesterin ist dumm. Will es immer noch nicht erlauben. Die Heilerin kümmert sich um sie. Starke Frau«, sagte der Ussar. Awin lächelte. Offensichtlich hatte Mahuk wirklich eine kleine Schwäche für Wela. Ebenso wie Praane. Awins Miene verdüsterte sich wieder. Er würde nicht zulassen, dass der Ore die Schmiedin seines Klans in die Fremde lockte. Dann schüttelte er den Kopf über sich selbst. Er hatte andere Dinge zu tun und zu bedenken.
    Er zog den Kreis in das weiche Erdreich zu Innes Füßen. Die Göttin starrte mit ihren weit aufgerissenen Augen über ihn hinweg. Es würde nicht schaden, auch sie um Hilfe und Unterstützung zu bitten, dachte Awin. Er versuchte, sich zu sammeln. Die Sonne schickte sich endlich an, den Himmel zu verlassen. Viel Zeit würde sie ihm nicht geben. Mahuk überreichte ihm brummend einige gemahlene Kräuter, und Wela brachte ihm eine Kerze, einen Krug mit Wasser und eine kleine hölzerne Schale. »Wir haben die Priesterin davon überzeugt, dass sie uns gern damit aushilft«, sagte sie mit einem schiefen Grinsen.
    Awin nickte flüchtig. »Lasst mich jetzt allein«, bat er.
    Wela schüttelte den Kopf. »In Pursu waren wir auch bei dir.«
    »Aber nicht zu Beginn! Ich brauche Ruhe, um die Reise anzutreten, Wela, und ich bitte dich, diesem heiligen Ritual die nötige Achtung entgegenzubringen«, erklärte er ruhig, aber bestimmt.
    Wela verzog sich murrend in die hinteren Räume.

    »Schon gut, Mahuk geht auch«, sagte der Raschtar und folgte der Schmiedin, ohne dass Awin ihn noch einmal bitten musste.
    Awin schritt den Kreis ab. »Dies ist der Erdkreis, mein Geist wird ihn nicht verlassen«, murmelte er die überlieferten Worte. Er setzte sich, wandte sich an die Schicksalsweberin und bat sie, ihm die Zukunft zu offenbaren. Er musste plötzlich an Norgis und die Ereignisse in ihrer Hütte denken, und dann schossen ihm tausend andere Dinge in den Kopf. Er atmete tief durch und versuchte, alle störenden Gedanken zu verbannen. Senis, er musste vor allem Senis finden. Behutsam füllte er etwas Wasser in die Schale und nahm seinen Dolch. In seiner Handfläche war eine Narbe, die er noch von seiner allerersten Reise hatte. Curru hatte sie ihm zugefügt. Grimmig erinnerte er sich daran, dass sein Meister dabei versucht hatte, ihn mit der Rabenbeere zu vergiften. Aber auch diese Gedanken hatten hier nichts zu suchen. Er holte tief Luft und verbannte die alten Geschichten aus seinem Geist. Die Nacht war kurz, und er musste sich beeilen. Senis , dachte er wieder. Er zog sich den Dolch durch die Handfläche, ließ das Blut in die Schale tropfen und trank einen Schluck. Mit den Kräutern wollte er noch warten. Er atmete tief ein und bat Tengwil um Einlass in ihr Reich von Vergangenheit und Zukunft, um einen Blick auf die vielen Schicksalsfäden, die sie zum Teppich des Lebens verwob. Er sah zum Himmel auf. Die Sterne standen fern und unberührt. Sie kamen ihm fremd vor.
    »Ich habe mich schon gefragt, ob ich dich je wieder sehen werde, Seher«, sagte eine vertraute Stimme. Eine weite, staubige Landschaft lag im Sternenschimmer. Die weißhaarige Senis saß ihm gegenüber an einem Feuer und musterte ihn mit einer Mischung aus Besorgnis und Neugier. Ihre schweren Zöpfe hingen bis auf den Boden.

    »Wo bin ich?«, stieß er hervor. Er hatte nicht damit gerechnet, so schnell Erfolg zu haben.
    »Weit im Süden, junger Seher. Sehr weit im Süden. Nahe bei der alten Stadt Akkesch. Es heißt, in ihren Ruinen ruhen viele Geheimnisse. Vielleicht finde ich dort das Kraut, das ich so lange schon suche.«
    »Aber … aber weißt du denn nicht, was vor sich geht?«, rief Awin.
    »Ich blicke nicht

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