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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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Awin blickte zurück. Er konnte das andere Ufer kaum sehen. Dazwischen erstreckte sich grau und weit das Meer. Schwarze Punkte trieben im Wasser, Hakul aus Eris Heer, die der Flut nicht entkommen waren. Und dann kam das Pferd, das Praane geritten hatte. Es schwamm schnaubend und wiehernd an Land. Einer von Lambans Männern fing es ein.

    Sie gönnten sich und den Pferden etwas Rast, und Awin nutzte die Gelegenheit, mit Isparra zu sprechen, die sich wieder abseits hielt.
    »Du siehst, es war klug, auf sie zu warten«, begann er.
    Isparra lächelte kalt. »Du hast ihnen nicht geholfen, oder wurde es den Pferden etwa leichter, nur weil sie zu zweit ihrem Tod ins Antlitz blickten?«
    »Vielleicht«, gab Awin verstimmt zur Antwort, »aber deswegen bin ich nicht hier, Isparra. Woher wusstest du von der Enge? Und was willst du hier auf dieser Insel?«
    Isparra lächelte herablassend. »Vergiss nicht, mit wem du redest. Eure Stimmen im Wind haben mir euer Ziel verraten.«
    »Ich weiß, mit wem ich rede«, stieß Awin wütend hervor. »Ich habe dich gesehen, Isparra, deine wirkliche Gestalt, und das solltest du nicht vergessen.«
    »Hat dir gefallen, was du sahst, Sterblicher?«, fragte sie voll plötzlicher Bitterkeit.
    Awin betrachtete sie. In der Welt der Menschen erschien sie immer noch als schöne Frau, und mehr als ein leichter Zug von Müdigkeit deutete nicht darauf hin, wie es um sie stand. Auf der Ebene des Geistes jedoch war sie nur noch ein ausgezehrter Schatten ihrer selbst.
    »Ich bedaure, dass du das Schicksal deiner Geschwister teilst, ehrwürdige Isparra«, sagte er dann, denn ihm war klar, dass sie bei aller Unzuverlässigkeit eine starke Verbündete im Kampf sein konnte. »Wenn ich dich richtig verstanden habe, ist es allein der Gebrauch eurer göttlichen Kräfte, der euch so schwächt. Dann erlaube mir die Frage, warum ihr nicht einfach darauf verzichtet?«
    Isparra lachte verächtlich. »Verzichten? Glaubst du, eine Unsterbliche strebt danach, bloß wie ein Käfer über diese Erde zu kriechen und allen Kräften, die ihr Wesen ausmachen, auf
immer zu entsagen? Nein, das wäre kein Leben für Isparra. Und für meine Geschwister auch nicht.«
    »Ich verstehe«, behauptete Awin. Dann fragte er: »Also hoffst auch du, dass deine Geschwister Erfolg haben und das Skroltor öffnen, damit du nicht länger von der Quelle deiner Macht getrennt bist?«
    Er wusste, dass diese Frage gefährlich war, denn wenn das ihr Ziel war, musste er sie als Feindin betrachten.
    Isparra schwieg eine Weile, bevor sie schließlich antwortete: »Nein, Awin von den Hakul, das ist nicht der Grund, warum ich diesen Weg auf mich genommen habe. Meine Geschwister haben mich verraten. Sie haben zugelassen, dass Slahan mich verstieß, mich all meiner Stärke beraubte und nur eine Hülle zurückließ, die längst über den Rand der Welt ins Nichts getrieben wäre, hättet ihr Xlifara Slahan nicht bezwungen. Nun will ich Vergeltung, und wenn es das Letzte ist, was Isparra die Zerstörerin auf dieser Welt tun wird. Nur darum bin ich hier. Meine Geschwister werden bereuen, dass sie mich im Stich ließen.«
    Awin war sehr erleichtert, das zu hören. Als er zu den anderen zurückging, kamen ihm jedoch Zweifel. Isparra hatte genau das gesagt, was er zu hören gehofft hatte - doch war sie auch aufrichtig? Er konnte ihr nicht trauen.
     
    Als ihre Pferde wieder zu Kräften gekommen waren, ritten sie weiter. Merege musste zugeben, dass sie die genaue Lage des Fischerdorfes nicht kannte, ja, nicht einmal wusste, ob es das Dorf überhaupt noch gab. Sie erinnerte sich nur daran, dass es auf der geschützten Südseite der langen Insel lag. Es war das zweite Mal, dass sie ihren Vater erwähnte, und Awin nutzte die Gelegenheit, sie nach ihrer Familie zu fragen.
    Die Antwort war enttäuschend. »Als meine Begabung offenbar
wurde, kam ich zu den Wächtern. Sie sind meine eigentliche Familie, denn sie zogen mich auf und lehrten mich alles, was ich weiß. An meine Mutter und auch an meinen Vater habe ich nur schwache Erinnerungen. Nur, dass er mich einmal mitnahm nach Karno, das weiß ich noch sehr genau«, sagte Merege, und auf Awins neugierige Nachfrage ging sie nicht weiter ein.
    Sie sahen das Dorf schließlich schon von weitem, denn es lag auf einem Hügel, der die flache Insel überragte. Er war von drei riesigen Rundhütten gekrönt, wie Awin sie noch nie gesehen hatte. Er war sicher, dass sein gesamter Sger mit allen Männern und Pferden bequem in jedem

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