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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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mehr als fünfzig Krieger zu Fuß, die eilig die Straße heraufkamen. »Ich glaube, Ragin führt sie«, rief Limdin.
    Merege erbleichte. Tuge fluchte. Dann meldete die Stimme des Mädchens von der Mauer, dass sich eine große Nebelwand das Tal heraufschob.
    »Sie kommen«, stellte Mahuk nüchtern fest.
    Doch zunächst war es Ragin, der mit einer abgekämpften Schar von Kriegern das Tor erreichte.
    Awin betrachtete die Männer. Einige waren verwundet, sie alle waren niedergeschlagen und erschöpft. Nur der Airiskan saß unversehrt auf seinem Rappen. Sie ließen ihn herankommen. Awin war gespannt, was Ragin zu sagen hatte. Sein Blick war unstet.
    »Dein Plan schlug fehl?«, fragte Tuge trocken.
    »Der Nebel. Wer konnte das ahnen?«, stieß Ragin hervor.
    »Und die Truppen aus diesen Städten, deren Namen ich vergessen habe?«, fragte Tuge weiter.
    »Sie werden dem Feind in die Flanke fallen, sobald er es wagt, die Rampe zu betreten!«, rief Ragin, und seine ohnehin unangenehme Stimme überschlug sich dabei noch.
    »Dann sollten sie sich beeilen, ehrwürdiger Airiskan, denn die Hakul sind schon auf der Straße«, meinte Tuge, der allmählich die Ruhe verlor.
    »Sie werden kommen. Die Männer aus Kalve und Burnis werden kommen. Solange müssen wir durchhalten!«
    »Und hast du jetzt einen besseren Plan?«, fragte Tuge gereizt.
    Awin hörte sich den Streit an, ohne einzugreifen. Was sollte er auch sagen? Es war gekommen, wie er es vorausgesagt hatte, und dabei hatte er nicht einmal seine Sehergabe bemühen müssen. Doch sollte er jetzt den Geschlagenen noch weiter demütigen?

    »Das Siegel!«, stieß Ragin hervor.
    »Nun, wir haben hier eine gute Stellung, um es mit unseren Bögen zu decken«, sagte Tuge, aber Ragin schüttelte den Kopf. »Von hier? Mit euren schlichten Waffen mag das angehen, doch wir Wächter haben andere Mittel zur Verfügung, Hakul«, rief er. Dann wandte er sich an die erschöpften Männer und sagte: »Verzagt nicht, noch ist Hoffnung, denn wir werden unsere stärkste Waffe gegen die Feinde einsetzen. Ihr Anwärter, sammelt euch am Siegel, ihr Männer, schützt sie mit eurem Leben, denn wir werden uns dem Verhängnis mit der Macht Edhils in den Weg stellen.«
    »Was hast du vor, ehrwürdiger Airiskan?«, fragte Merege mit erzwungener Höflichkeit.
    »Das Siegel ist unsere Rettung, Anwärterin! Im Nebel, da fanden die Wächter keine Quellen für ihre Kräfte. Aber hier kann selbst der dichteste Nebel eines Alfskrols das Siegel nicht vor uns verbergen.«
    Für einen Augenblick herrschte gespenstische Stille, dann fragte Merege ungläubig: »Du willst das Siegel als Quelle nutzen, Airiskan?«
    »Warum nicht? Siehst du nicht, wie viel Macht in ihm lodert? Es wird uns mehr Kraft geben, als die Hakul sich vorstellen können. Ja, der Sieg ist uns gewiss. Und nun auf, Anwärter. Der Sieg ist nah.« Und damit galoppierte Ragin davon, und unter den Hufen seines Rappen stoben kleine Aschewolken auf. Die Krieger und auch die Anwärter folgten ihm eilig.
    »Kann das, was er vorhat, gelingen?«, fragte Awin. Er fand es unfassbar, wie schnell Ragin von völliger Verzagtheit zu Siegesgewissheit zurückgefunden hatte.
    Merege war als einzige der Anwärter zurückgeblieben. Sie blickte zu Boden. »Es ist wahr, das Siegel birgt ungeheuer viel
Kraft, doch wenn wir sie nutzen, schwächen wir es auch. Es ist dann umso leichter, es zu zerstören.«
    »Dann sollten wir uns etwas anderes überlegen«, meinte Awin.
    »Dann tu es, aber tu es schnell. Dort unten kann ich Dauwes Nebel herannahen sehen. Die Hakul werden bald hier sein. Ich fürchte, es ist das Ende, Awin.«
    »Du willst doch nicht da hinüber, Kariwa, oder?«, fragte Wela, als Merege sich anschickte, den anderen zu folgen.
    »Sie sind so jung. Sie werden Hilfe brauchen. Ich kann sie nicht ihrem Schicksal überlassen.«
    Awin sah ihr nach. Sie wirkte schmal und verletzlich, als sie zum Tor hastete. Ascheflocken klebten in ihren Haaren. Es sah aus wie … Awin erbleichte. Das Bild der im Schnee sterbenden Merege trat ihm mit plötzlicher Wucht wieder vor Augen, und das war unerträglich. »Merege!«, rief er laut.
    Sie blieb stehen, drehte sich um und wischte sich eine verklebte Strähne ihres schwarzen Haares aus dem Gesicht. »Was gibt es, Seher?«, fragte sie.
    Awin öffnete den Mund - aber er konnte ihr nicht sagen, dass er ihren Tod gesehen hatte. »Gib … gib einfach Acht auf dich«, sagte er stotternd.
    Sie lächelte, wandte sich ab und lief weiter durch

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