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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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den weißen Ascheregen. Awin starrte ihr hinterher. Er würde auf sie aufpassen, irgendwie. Und er nahm sich vor, dass sie diese Schlacht überleben würde - und wenn es ihn sein eigenes Leben kostete. Mit einem Stoßgebet bat er Mareket, sie zu beschützen. Er richtete den Blick in den Himmel. Die blasse Sonne stand weit im Nordwesten. Bald würde sie hinter den Bergen verschwinden und lange Schatten werfen. Wenn er die Anwärter richtig verstanden hatte, war Mittsommer vorüber, und die Sonne würde zum ersten Mal seit Tagen wieder untergehen. Aber bis
zum Anbruch der Nacht würde es noch lange dauern, zu lange, wie er fürchtete, als er den Nebel aus dem Talgrund heraufkommen sah. Und er fragte sich, was Senis gegen diese abertausend Reiter würde ausrichten können, die im Schutz dieses Nebels herannahten.
     
    Ragin hatte seine Krieger und die Anwärter vor dem strahlenden Siegel versammelt. Er war immerhin so klug, die Männer mit den Schilden nach vorne zu stellen, aber vielleicht hatte das auch Merege durchgesetzt. Einer der Krieger führte die Pferde zur Seite und versteckte sie im Unterholz.
    »Der Airiskan scheint sich mehr um die Sicherheit der Tiere als die der Menschen zu sorgen«, murmelte Awin.
    »Immerhin war er so freundlich, uns nicht dorthin zu befehlen, wo sich die Kariwa gerade zum Sterben aufstellen«, brummte Tuge. »Übrigens, wenn du einen eigenen Plan hast, Yaman, dann wird es langsam Zeit, ihn uns mitzuteilen.« Awin sah von einem zum anderen. Er entdeckte grimmige Entschlossenheit bei Tuge, Mabak und Limdin, und auch bei Wela. Mahuk saß im Schatten eines Steines und stritt sich mit Yeku, Ore Praane kauerte unruhig hinter einem Felsen, sein kurzes Schwert fest umklammert. Aber auch der Ore wirkte entschlossen. Awin hatte in Erwägung gezogen, seinen Gefährten noch einmal mit flammenden Worten ins Gedächtnis zu rufen, was auf dem Spiel stand - dass es an ihnen war, das Ende der Welt abzuwenden. Aber jetzt sah er in ihre Gesichter und erkannte, dass das nicht nötig war. Sie wussten es. Sie zu mutigem Kampf zu ermahnen, erschien ihm beinahe beleidigend. Er sah ihnen nur in die Augen. Dann nickte er. »Ich hatte Gesichte«, begann er. »Gesichte über diesen Tag. Sie waren unklar, aber es scheint, dass Eri die entscheidende Bedeutung zukommt«, fuhr er fort und vermied es, Tuge anzusehen.

    »Was schlägst du also vor, Yaman?«, fragte Limdin.
    »Wir müssen ihn töten. Wenn er fällt, kann sich der Tag zu unseren Gunsten neigen. Das ist es, was ich gesehen habe.«
    »Das wird nicht leicht sein, Yaman«, sagte Mabak zweifelnd. »Die Hakul werden den Tiudhan sicher mit ihrem Leben schützen.«
    »Natürlich werden sie das. Er hat doch sogar eine Leibwache für sich geschaffen, wie ihr vielleicht schon von Jeswin gehört habt. Ich habe diese Krieger auf meiner Reise ebenfalls gesehen. Sie verzichten auf Kriegsmaske und Rüstung und malen sich ihren Leib und ihr Gesicht rot an, um den Feind zu erschrecken. Aber wir lassen uns nicht erschrecken, oder? Achtet also auf diese roten Reiter, denn wo sie sind, wird auch der Tiudhan sein. Und ihn müssen wir töten.«
    »Wenn wir denn überhaupt etwas zu sehen bekommen bei diesem Nebel«, brummte Tuge.
    Hörner klangen von der Rampe herauf. Der Nebel war viel näher gerückt.
    »Noch vier oder fünf Bogenschusslängen«, murmelte Tuge.
    Awin spürte eine leichte Erschütterung des Bodens, doch dieses Mal war es nicht der grollende Kramar, es war der Tritt tausender Rösser. Awin hörte das Schnauben der Pferde, das Klirren der Waffen unter dem Nebel, die Geräusche eines großen Heeres, gedämpft durch die Asche, die weich vom Himmel sank. Die Männer hörte Awin nicht. Sie kamen mit tödlichem Schweigen.
    »Willst du mit Hakul reden?«, fragte Mahuk Raschtar ihn jetzt.
    »Ich glaube nicht, dass sie mich hören würden, geschweige denn, dass sie mir zuhören, ehrwürdiger Raschtar.«
    »Zuhören liegt an dir. Aber hören werden sie dich, weil Yeku es will.«

    »Wie will denn dein Stock dieses Wunder vollbringen, ehrwürdiger Raschtar?«, rief Tuge ungehalten.
    »Alter Zauber, Bodenzauber, Graszauber«, sagte Mahuk ernst.
    Wieder ertönten Hörner im Nebel, Rösser schnaubten, und dann hielt das Heer an.
    Awin starrte den Raschtar ungläubig an. »Ein Zauber?«
    Mahuk bat Yeku murmelnd um Verzeihung, dann rammte er den Stab in den Boden, hielt ihn mit der Linken fest, packte Awins Hand mit der Rechten und legte sie auf den klobigen Kopf des Stockes.

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