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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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ein riesiger Wolf mit rot glühenden Augen und fletschte die Zähne. Eine vertraute Stimme sagte: »Es ist Nacht, junger Seher, endlich! Und diese Nacht bringt neue Hoffnung. Nun auf, meine Kinder!« Awin starrte die Sprecherin ungläubig an. Es war Norgis, und mit ihr waren die Wölfe gekommen. Der Wolf mit den glühenden Augen sprang los. Die anderen folgten ihm. Sie hetzten über die Felsen und stürzten sich auf die roten Reiter. Pfeile flogen, Pferde scheuten, warfen ihre Reiter ab oder wandten sich mit ihnen zur Flucht. Doch die Wölfe waren schneller.
    »Du hier, Schwester?«, zischte eine Stimme. Senis stand zwischen den offenen Torflügeln, eine kleine weiße Gestalt vor der riesigen schwarzen Wolke, die sich die Schlucht hinaufwälzte.
    Norgis antwortete ihrer Schwester, die sie wohl tausend Jahre nicht gesehen hatte, mit einem verächtlichen Schnauben. Ein Wolf war noch bei ihr geblieben. Nun gab sie ihm einen Wink, und er stürzte sich auf Seweti, die dort im Schatten des Tores stand, über Mereges Leib gebeugt. Blut tropfte von ihrem Dolch. Merege hob die Hand zur Abwehr. Awin ächzte. Sie war nicht tot! Die Alfskrole hörte den Wolf kommen. Er sprang ihr mit einem gewaltigen Satz an die Kehle. Ihr schriller Schrei wurde in einem Gurgeln erstickt. Sie fiel zu Boden - und verging. Sie löste sich vor Awins Augen in nichts auf, nur einige blaue Schleier schwebten noch zur Erde.
    »Das Tor, schließt das Tor hinter mir!«, rief Senis und lief rasch auf die riesige Wolke zu. Dann blieb sie stehen und breitete die Arme aus. Awin konnte den Blick nicht von ihr lösen. Sie stand dort, klein und verloren vor der gewaltigen Wolke, und rief Worte, die er nicht verstand. Der Fels geriet in Bewegung,
ja, die Berge stürzten ein, so wie Awin es gesehen hatte. Die ganze Felswand fiel in sich zusammen, riesige Steine polterten zu Boden, dann lösten sich bemooste Arme aus dem Stein, zeigten sich Beine, Häupter und Leiber.
    »Sie weckt die Riesen, mein Junge, sie weckt die Riesen«, flüsterte Norgis.
    Awin sah es, aber er konnte es nicht glauben: Riesen erhoben sich aus den Bergen, und sie stellten sich der schwarzen Wolke in den Weg. Die langen Fangarme schossen hervor, griffen nach ihnen, die Wolke stürzte sich auf sie, und in ihr lauerten gewaltige Reißzähne, Klauen und Pranken, doch die Riesen wehrten sich. Mit bloßen Fäusten rangen sie mit den Daimonen.
    »So schließt doch das Tor, ihr Narren!«, rief Senis, die dort klein und verloren zwischen den Riesen stand und Zauber zu wirken schien.
    »Wozu?«, murmelte Norgis. »Das Siegel ist zerstört.«
    Awin durchfuhr die Erkenntnis wie ein Blitz. Diese Schlacht war noch nicht verloren! »Schließt das Tor!«, rief er. Er rannte auf das nächste herumirrende Pferd zu, sprang in den Sattel, hetzte los und achtete nicht auf den stechenden Schmerz, den er in der Seite fühlte. Dort unten harrte sie noch aus, jene kleine Schar von Hakul, die sich um einen leuchtenden Stein geschart hatte und entsetzt den Kampf um das Ende der Welt verfolgte. Awin hetzte sein Tier voran. Dann sah er etwas Seltsames: Auf der Straße wurde gekämpft, doch Staub und Asche verhüllten das Geschehen, kein Schwertgeklirr oder Schrei drang aus der schnell wirbelnden Wolke nach draußen. Awin ahnte, es waren die Xaima, die mit Isparra rangen. Er hetzte vorbei. In vollem Galopp hielt er auf die Reiter zu, die Yamane und anderen Anführer der Klans, die wohl zu tapfer oder einfach nur zu stolz waren, um zu fliehen. Nun aber wurden ihre Pferde unruhig und scheuten zur Seite, als Awin heranstürmte.

    »Der Lichtstein, gebt mir den Lichtstein!«, schrie er und spornte sein Ross weiter an. Die Yamane wichen zur Seite. Nur der Lichtstein in ihrer Mitte, der blieb an seinem Platz. Ein zitternder Reiter hielt ihn und blickte den heranstürmenden Awin ängstlich an. Awin zügelte sein Pferd, riss dem alten Krieger den Stab mit dem Lichtstein aus der Hand und wendete. Er spürte wieder einen stechenden Schmerz in der Seite, aber er hatte keine Zeit, sich darum zu kümmern. Etwas warnte ihn. Er blickte über die Schulter und sah einen Pfeil heranfliegen. Er riss sein Pferd zurück, und das Geschoss bohrte sich in den Heolinstab. Awin sah den Schaft des Pfeils im Holz zittern und erbleichte. Es hatte nicht viel gefehlt.
    »Und ihr lasst es geschehen, ihr Feiglinge!«, rief eine raue Stimme. Awin war diese Stimme vertraut. Er sah einen Mann auf einem unruhig schnaubenden Schimmel etwas abseits der

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