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Der Sohn des Sehers 03 - Renegat

Titel: Der Sohn des Sehers 03 - Renegat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Fink
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betäubt. Immer noch heulten die Ungeheuer und Alfskrole auf der anderen Seite des Tores, aber Awin schien es, als sei ihr Heulen schon leiser geworden. Allmählich sickerte in sein Bewusstsein ein, was hier eben geschehen war. »Die Windskrole. Deine Wölfe haben sie zerrissen, Norgis!«, rief er.
    Sie nickte ernst.
    »Norgis? Ist das wirklich Norgis, die Abtrünnige?«, rief eine laute Stimme. Awin wandte sich um. Wieder spürte er einen stechenden Schmerz in der Seite. Ein Mann trat aus dem Schatten des Tores. Sein Schritt war unsicher, und er war blutüberströmt. Graue Flocken klebten in seinen Haaren. Es war Ragin. Er hielt ein Hakul-Schwert in der Hand.
    Norgis sah ihn mit schräg gelegtem Kopf nachdenklich an. »Du bist ein Wächter?«, fragte sie.
    »Ich bin Ragin, der Airiskan der Wächter, und du hast dein Leben verwirkt, Verrät…«Er stockte. Seine Augen quollen hervor, er fiel auf die Knie und kippte mit einem Seufzer tot zu Boden.
    Norgis atmete tief ein. »Ein schwacher Mensch«, murmelte sie.
    Awin sprang entsetzt auf. »Was hast du getan, Norgis?«, rief er. Ein jäher Schmerz in der Seite raubte ihm den Atem. Er taumelte.
    »Mir scheint, du hast da noch eine Wunde, junger Seher«, sagte Norgis ernst.
    »Awin!«, rief Wela erschrocken.
    Er hob den Arm und blickte auf die schmerzende Stelle. Eine abgebrochene Speerspitze ragte aus der linken Seite. Merkwürdig, er konnte sich gar nicht daran erinnern, dass er dort getroffen worden war.
    Wela befühlte vorsichtig die Spitze. »Sie muss in einer Rippe
stecken geblieben sein, sonst wärst du jetzt tot«, sagte sie mit bleichem Gesicht.
    Awin runzelte die Stirn. Die Erinnerung kam zurück. Da war dieser Reiter gewesen … mit dem Speer … aber er war doch ausgewichen. Seine Gedanken verschwammen. Mit fahriger Bewegung fasste er die Spitze mit der Rechten und zog sie heraus. Er zuckte ungläubig mit den Achseln, als er das lange Stück Bronze sah, dann wurde ihm schwarz vor Augen, und er fiel.

Abschied
    ER FIEL HINAB in samtenes Schwarz, das ihn umfing und behütete. Wie lange war es her, dass er eine wirkliche, tiefe Nacht gesehen hatte? Es war vollkommen still, doch dann löste sich aus der Stille ein leises Geräusch, wurde lauter, bis es brauste wie von tausend Rabenfedern. »Ich rieche, dich, Hakul. Ich sehe dich nicht, aber ich rieche dich. Und ich werde dich finden.«
    Uqib , dachte Awin.
    »Hast du geglaubt, du könntest mir entkommen, Seher?«
    Awin schwieg. Er verspürte keine Angst, wunderte sich nicht einmal darüber, dass er sich nicht fürchtete, sondern nahm es gelassen hin. Er sah Licht. Die Steppe. Sie breitete sich vor ihm aus, saftig grün, wie nach einem Frühlingsregen. Er hörte Pferde wiehern. Sie lockten ihn.
    »Hast du hier nicht noch etwas zu tun, Seher?«, fragte eine dunkle weibliche Stimme.
    Awin runzelte die Stirn. Dann wandte er sich ab von den immergrünen Weiden und öffnete die Augen.
     
    Er lag auf dem Boden. Über ihm dehnte sich ein fahlgrauer Himmel. Die Morgendämmerung schien angebrochen. Er war also doch nicht tot, hatte wohl nur geträumt. Er konnte nicht einmal besonders lange fort gewesen sein, denn es war ja gerade erst Morgen. Dann fiel ihm ein, wo er war, und wie kurz die Nacht im Schneeland sein konnte. Jemand legte ihm einen Verband an. »Wela?«, fragte er.

    »Nicht Wela, aber auch kundig«, sagte Mahuk, dessen bärtiges Gesicht jetzt dicht vor Awin auftauchte und ihn freundlich, aber auch besorgt musterte.
    Awin wollte sich aufsetzen, aber der Schmerz war noch da, und er ließ sich ächzend wieder zurücksinken.
    »Langsam, Hakul, langsam«, brummte der Raschtar.
    »Was ist geschehen?«, fragte Awin.
    »Du weißt mehr als ich. Tuge sagt, ich hätte beinahe den Weltuntergang verschlafen«, brummte Mahuk.
    »Tuge lebt?«, fragte Awin.
    »Lebt«, erwiderte der Raschtar. »Verband ist fertig. Aber langsam, Yaman. Viel Blut verloren.« Dann half er Awin auf die Beine.
    Da waren Hakul, dazwischen Kariwa. Sie hatten offensichtlich damit begonnen, die Verwundeten zu versorgen und die Leichen zusammenzutragen. Der Ascheregen hatte aufgehört, aber er hatte lange genug angehalten, um die Leichen auf dem Schlachtfeld mit einem bleichen Tuch zuzudecken.
    »Merege?«, fragte Awin.
    »Dort drüben«, sagte Mahuk und wies ungefähr in die Richtung eines Scheiterhaufens, den die Kariwa um ihre Toten aufschichteten. Awin erbleichte. Dann trat Merege hinter diesem grauenvollen Hügel hervor. Sie trug einen Arm in der

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