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Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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ich mit meinen Werken ausdrücken will, ohne dass ich ihm ein Bild davon zeichnen muss, er ist der Einzige, den ich an den Originalen arbeiten lasse, ohne ihm vorher ein Modell hinzustellen, der Einzige, unter dessen Hände eine Gestalt entsteht, nicht bloß eine Figur …«
    »… und er ist der einzige Jude, den die Bürger dieser Stadt jemals an einem christlichen Altar haben arbeiten lassen«, hörte ich Mojzesz hinter mir grollen.
    »Na ja, es ist eher so eine Art offenes Geheimnis«, sagte Stoß. »Solange es keinen Wirbel gibt … also …«
    Er sah Samuel an und zuckte mit den Schultern. Ein peinliches Schweigen entstand, das der junge Mann zu unterbrechen sich nicht genötigt fühlte.
    »Herr Bernward, der Grund, warum der Hofbankier und ich Sie gebeten haben, hierher zu kommen, ist … es hat einigen Wirbel gegeben. Es hat sogar großen Wirbel gegeben. Gestern Nacht … Leute wie wir werden von Patriziern gern zu Festlichkeiten eingeladen, und ein Künstler wie Samuel … man schmückt sich gern mit uns, verstehen Sie? Und jetzt ist Samuel angeklagt … man wirft ihm vor …«, Stoß rollte mit den Augen und mühte sich ab, es weniger gemein klingen zu lassen, als es war, aber er mühte sich vergebens, »… ein Mädchen geschändet zu haben. Samuel schwört alle Eide, dass er nichts Böses getan hat, aber er ist in Schwierigkeiten … und wenn das rauskommt … dann … dann gibt es einen richtigen Wirbel … und dann … dann ist mein Name … dann bin ich …«
    Samuel schloss halb die Augen und zog wieder die verächtliche halbe Grimasse.
    Mojzesz drängte sich plötzlich an mir vorbei und baute sich vor dem Jungen auf. Er stemmte die Hände in die Hüften. »Schön, Samuel … dann sag Herrn Bernward selber, wer das Mädchen ist.«
    Samuel sagte, kaum hörbar und sehr gelangweilt: »Irgend so ’ne Kleine mit ’nem scheißreichen Alten.«
    »›Irgend so ’ne Kleine!‹«, röhrte Mojzesz. »Und hat die Kleine vielleicht auch einen Namen?«
    »Weiß ich doch nich.«
    Mojzesz schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn und wirbelte zu Stoß und mir herum. Er breitete die Arme aus, als rufe er Gott den Gerechten zur Zeugenschaft seiner Mühen an. Sein Gesicht war dunkelrot im Fackellicht. Er riss sein Barett herunter und feuerte es auf den Boden. »›Weiß ich doch nich‹!«, donnerte er. »Weiß ich doch nich wer das gemacht hat! blökten die Verräter, als Moses sie beim Tanz um das Goldene Kalberwischte! Ich sag dir, wie das Mädchen heißt, Peter. Sie heißt Zofia Weigel. Und der reiche Alte, der ihr Vater ist, heißt Laurenz Weigel. So heißt das Mädchen.«
    »Du nimmst mich auf den Arm«, sagte ich.
    »Keinesfalls«, sagte Mojzesz, »wir reden von Laurenz Weigels Tochter, und er wird Samuels Blut trinken wollen, und wenn er erst dahinterkommt, dass seine Tochter nicht nur geschändet, sondern von einem Juden geschändet worden ist, dann wird er seine Stimme im Rat nicht mehr erheben, um christliche Nächstenliebe zu predigen, sondern um zu rufen: Zündet ihre Häuser an!«
    »Du weißt schon, dass Weigel der Anführer derjenigen Fraktion im Rat ist, die sich stets dagegen ausspricht, König Kasimir die Kredite zu gewähren, um die Mitgift für seine Tochter Hedwig endlich auszuzahlen?«
    »Natürlich weiß ich das, bei Abrahams Bart und allen seinen Ziegen!«, brüllte Mojzesz. »Ich verhandle ja oft genug mit ihm!«
    »Dann kannst du dir auch vorstellen, was König Kasimir der Ständig Klamme tun wird, wenn er davon erfährt …«
    Mojzesz funkelte mich aufgebracht an. Er wölbte eine Hand über etwas Imaginäres, als wolle er es beschützen, dann zog er die Hand weg und schlug stattdessen mit der anderen Faust darauf.
    »Genau«, sagte ich. »Zweihundert Jahre Schutz und relative Sicherheit unter dem Schild der Jagiellonen für die jüdische Bevölkerung Krakaus werden …«
    »… untergeyn !«, bestätigte Mojzesz. Er vollführte mahlende Bewegungen mit der Faust. » Tsemolen !«
    »Das verstehe ich nicht …«, stotterte Stoß. »Was hat das denn damit …?«
    »König Kasimir braucht dringend Geld, um seine Verpflichtungen in Landshut zu erfüllen. Er schuldet seinem Schwiegersohn, Herzog Georg, dreißigtausend Gulden, und das seit fast zehn Jahren. Aber womit soll er das bezahlen? Seine Politik in Ungarn und Böhmen ist zu langfristig, als dass er bald auf Steuereinnahmen von dort hoffen dürfte, und seine Barone waren von vornherein gegen die Hochzeit zwischen Georg und Hedwig und

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