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Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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Recht. Wir müssen zweierlei tun: Samuel aus der Stadt schaffen und die Verhandlungen mit Laurenz Weigel fortführen. Der Konflikt, der hier entstanden ist und den Julius Avellino geschürt hat, ist mit dem Mord an ihm noch heißer geworden. Wenn jemand mäßigend auf die Hitzköpfe einwirken kann, dann Weigel.«
    »Du hast Unrecht«, sagte ich. Mojzesz blinzelte überrascht. Selbst ben Jordan runzelte die Stirn und versuchte vergeblich zu verstehen, worauf ich hinauswollte.
    »Gestern Nachmittag«, erklärte ich, »hat Avellino gegen die jüdische Gemeinde gehetzt. Aber das war nur der Auftakt – sozusagen um die Leute zu interessieren und dafür zu sorgen, dass sie bei seinem abendlichen Auftritt in hellen Scharen kamen. Es ging ihm um viel mehr. Die Juden – eure Gemeinde! – sind nur die Hälfte der Aufgabe, die sich Avellino gestellt hatte. Ich habe vorhin gesagt, an Laurenz Weigel wird sich kein Pogrom entzünden, und das glaube ich nach wie vor. Aber er wird das Problemauch nicht lösen, denn er und seinesgleichen sind die andere Hälfte davon.«
    »Die deutschen Patrizier.«
    »Wenn Avellino nur gegen euer Volk gehetzt hätte, dann wären seine Predigten irgendwann nur noch von den Müßiggängern, den Gassenjungen und den herumstreunenden Hunden besucht worden. Jedermann weiß, dass der König die Hand über die jüdische Gemeinde hält, und die meisten erinnern sich noch mit einem schlechten Gewissen an die Schandtaten von 1407 und 1454, als Jan Capistrano hier predigte. Sicher, es hätte ein paar Übergriffe gegeben, Studenten wären durch eure Gassen gezogen und hätten den einen oder anderen verprügelt und die Hauswände mit Kot verschmiert. Ich sage nicht, dass das nichts ist, ich sage, dabei wäre es letztendlich geblieben.«
    »Nichts anderes als das, was alle paar Jahre passiert«, sagte Joseph ben Lemel bitter.
    Lewko ben Jordan starrte mich an. »Capistrano«, sagte er. »Gott der Gerechten.«
    »Genau«, erwiderte ich. »Wenn Avellino ein Vorbild hatte, dann ihn. Nur – allein mit Hetzpredigten gegen die Juden hätte er niemals die Berühmtheit seines verdammten Vorgängers erreicht. Also hielt er sich einige Wochen nach seiner Ankunft hier still, horchte herum, erkannte, dass in den hier ansässigen Polen schon lange eine unterdrückte Wut auf die deutschen Kaufleute schwelt, die alles im Griff haben und keinen von ihnen hochkommen lassen wollen, lernte polnisch – und dankte seinem Gott vermutlich auf Knien dafür, dass er ihm die Sache mit Samuel und Zofia in den Schoß hatte fallen lassen. Was er daraus gemacht hat, haben wir gestern Abend auf dem Marktplatz vernommen.«
    »Was uns zu der Frage bringt, wer es ihm gesagt hat«, sagte ben Jordan. Mojzesz machte eine nervöse Bewegung.
    »Und was er damit erreichen wollte.« Sie gafften mich aufs Neue an. Ich begann, an den Fingern abzuzählen: »Jemand ausdem Haus ben Lemel? Avellino hätte keinem Juden auch nur ein paar Augenblicke lang zugehört – und warum sollte man Samuels Schandtat auch noch einem christlichen Mönch mitteilen wollen, wenn man zugleich Verhandlungen über ein Schweigegeld mit dem Vater des Opfers führt?«
    »Samuel ist unschuldig!«, rief ben Lemel und sprang auf. Ich ignorierte ihn.
    »Jemand aus dem Haus Weigel? Laurenz Weigel kocht vor Wut, aber dennoch war er bereit, mir zuzuhören und die Verhandlungen aufzunehmen. Es ist die einzige Möglichkeit, die Ehre seiner Tochter zu schützen. Avellinos Predigt hat diese Chance zunichte gemacht.«
    »Du hast was gesagt von einer Beichte«, murmelte Mojzesz.
    Ich rief einen weiteren Finger zu Hilfe. »Samuel ist Jude, er fällt also aus. Zofia? Sie hat einen Hauskaplan zur Verfügung, der sicher als ihr Beichtvater fungiert. Abgesehen davon hat sie es bereits ihren Eltern mitgeteilt, was sollte sie da noch zur Beichte gehen, noch dazu zu einem unbekannten Mönch auf der Durchreise?«
    Joseph ben Lemel machte ein merkwürdiges Gesicht, und ich hielt inne. Ich sah ihn an. Er versuchte, den Blick zurückzugeben, doch er musste die Augen senken.
    »Was?«, sagte ich. »Samuel hat es Ihnen nicht gestanden?«
    Er kniff die Lippen zusammen.
    »Woher wussten Sie es dann?«
    Ben Lemel deutete auf Mojzesz. »Von Reb Fiszel.«
    Ich wandte mich zu Mojzesz um, doch er sah genauso ratlos aus, wie ich mich fühlte. »Ich dachte …«, begann er und brach ab. Er schüttelte den Kopf. »Ich dachte, du warst so fassungslos, weil du es nicht glauben wolltest, Jossele. Warum hast du nicht

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