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Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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seiner Lederschürze angezogen und das Gekräusel der Holzspäne im Bart, schreit zurück: ›Ja, so ist es!‹«
    »Der Rat, der ihm das ganze Geld in den Hintern schiebt, wird das besonders gern gehört haben.«
    »Sie werden den Rest noch viel lieber gehört haben. Stwosz ließ sich von den Rufern in der Menge in jede gewünschte Richtung treiben, so glücklich war er, dass man seine Meinung scheinbar teilte. Immerhin galt es ja, seinem Schützling den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Das Ende vom Lied war, dass er den Graben zwischen den Polen und den Deutschen noch tiefer gezogen hat – und das Pech hat er auch noch hineingeschüttet, das der nächste winzige Funken entzünden wird.«
    »Sie reden so, als ob sie sich weder der einen noch der anderen Gruppe zugehörig fühlen.«
    Er zuckte mit den Schultern. »Genau so ist es.« Dann spähte er an mir vorbei in den Eingang zu Janas Haus.
    »Sie sind gar nicht zufällig hier vorübergekommen«, sagte ich.
    »Nein, ich wollte zu Jana Dlugosz. Ist sie da?«
    Ich fühlte den idiotischen Drang, den Eingang zu blockieren, und konnte mich nur mit Mühe zurückhalten, es tatsächlich zu tun.
    »Warum haben Sie mir das eigentlich alles erzählt?«, fragte ich.
    »Was? Das mit Stwosz’ blödsinniger Rede? Warum hätte ich es nicht tun sollen? Sind wir Feinde?«
    »Jana ist nicht zu Hause«, hörte ich mich sagen.
    »Schade.« Er musterte mich. »Ich dachte …«
    »… dass ich nicht da wäre?«
    Er machte eine winzige Pause, gerade so lang, dass es auffiel. »Nein, ich dachte, sie hätte vielleicht endgültig eine Entscheidung gefällt.«
    Ich spürte, dass nun ich die Pause machte. »Worüber?«
    Miechowita schüttelte den Kopf. »Hat sie Ihnen nichts gesagt?«
    »Ich wüsste nicht, worüber.«
    »Tja … ich glaube, ich stehle Ihre Zeit. Bis dann, Herr Bernward.«
    »Ich habe alle Zeit der Welt.«
    »Nein, nein.« Er lächelte. »Haben Sie nicht Ihre Familie zu Besuch? Ich will Sie nicht aufhalten.«
    Er tippte an seinen Hut und marschierte gelassen davon. Mein Fuß brannte, ein Brennen, das sicher leichter geworden wäre, wenn ich ihn in den Hintern getreten hätte. Aber mein Herz brannte auch, und diesen Brand hätte keine Grobheit der Welt gelöscht.

    Es gab nur einen Weg zu gehen, und ich hasste den bloßen Gedanken daran. Letztlich aber blieb mir nichts anderes übrig: Ich musste zu Jana gehen und Miechowitas Frage für mich – für uns – selbst stellen. Wofür hatte sie sich entschieden?
    Daniel war allein im Saal. Er hatte Janas Schreibpult zu einem Fenster gerückt und starrte auf dünne Papierbögen hinab, deren Enden im leisen Luftzug flatterten. Es sah aus, als lese er Janas Bilanzen. Dann kratzte er sich am Kopf und starrte in die Luft wie einer, der versucht, eine Vision in die imaginäre Wirklichkeit zu übertragen, und ich erspähte Skizzen von Gestalten. Offenbar hatte er den Aufenthalt im Dom nicht nur dazu genutzt, Paolo zu beeindrucken und Freunde unter Veit Stoß’ Gesellen zu gewinnen, sondern er hatte auch Skizzen der bereits fertigen Altarfiguren festgehalten. Er schien zu überlegen, ob es Sinn machte, den Turm des Landshuter Martinsdoms mit solchen Figuren zu schmücken. Wenn ich nicht mit meinen Gedanken anderswo gewesen wäre, hätte ich mich vielleicht gefragt, welche Stellung mein Sohn auf der riesigen Landshuter Baustelle mittlerweile einnahm, dass er sich Gedanken über eine Änderungder Baupläne zu machen nicht von vornherein als vollkommene Zeitverschwendung empfand. Hans Stethaimer, der frühere Baumeister, hatte große Stücke auf ihn gehalten; die Wertschätzung schien sich auf seinen Nachfolger übertragen zu haben.
    Ich weiß nicht, was ich vor meinem geistigen Auge gesehen hatte; plötzlich jedenfalls wurde mir klar, dass Daniel sich umgedreht hatte und mich musterte.
    »Es muss dir sehr schwer fallen, so weit von deinem geliebten Bau entfernt zu sein«, sagte ich.
    »Ich dachte ihn für eine Sache von Wert zu verlassen.«
    Ich nickte. »Nichts läuft im Augenblick so, wie ich es mir vorgestellt habe.«
    »Warum ändern Sie es dann nicht?«
    »Du scheinst wie die anderen der Meinung zu sein, dass ich an allem schuld bin.«
    Statt zu antworten, wies er in die Richtung des Zimmers, in dem Paolos Bett stand. »Der Kleine schläft.«
    »War es noch schlimm?«
    »Nein, er hat sich schnell beruhigt.«
    »Wo ist Sabina?«
    Er lächelte flüchtig. »Hat sich ebenfalls schlafen gelegt. Am hellen Tag. Ich hätte nicht gedacht, dass

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