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Der Sohn des Tuchhändlers

Der Sohn des Tuchhändlers

Titel: Der Sohn des Tuchhändlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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ich meine pflichtbewusste große Schwester einmal dabei ertappen würde, wie sie dem Herrn den Tag stiehlt.«
    »Wenn irgendetwas schief lief und sie nichts daran ändern konnte, hat sie immer geschlafen – als ob sie sich bewusst selbst aus dem Verkehr gezogen hätte, weil sie es nicht ertrug, bei irgendeiner Tragödie auf die Position einer hilflosen Zeugin festgelegt zu sein. Du warst noch ganz klein, da wurde eine der Ziegen krank – du weißt noch, dass sie die Viecher von allen Vierbeinern auf dem Hof am liebsten hatte?«
    Daniel zuckte mit den Schultern.
    »Jedenfalls kam der Tag, an dem sich einer der Knechte mit der Axt neben der Ziege in den Stall stellte und verkündete, eswerde jeden Moment so weit sein, und er wolle die Kreatur dann von ihrem Leid erlösen.«
    »Daran erinnere ich mich. Der arme Kerl war doch noch Jahre danach der Spott des Tages, weil er einen ganzen Tag und eine ganze Nacht bei der Ziege wartete, und am folgenden Morgen war sie gesund.«
    »Sabina hat damals ebenso lange geschlafen, wie der Knecht wachte«, sagte ich.
    »Als Mutter gestorben war«, sagte er, »hat sie auch sehr viel geschlafen.«
    Er gab meinen Blick unbewegt zurück. Ich konnte in seinen Zügen nicht lesen, ob seine Bemerkung als Anklage gemeint gewesen war oder ob er mir eine Brücke hatte bauen wollen. Sicher war nur, dass ich darauf keine Antwort fand.
    »Ich glaube nicht, dass Sie schuld an dem ganzen Wirrwarr hier haben«, sagte Daniel. »Aber ich glaube, dass Sie es nicht schaffen, es wieder in Ordnung zu bringen.«
    »Ich bin groß im Entwirren verwickelter Angelegenheiten«, hörte ich mich sagen und zuckte innerlich bei dem scheppernden Klang zusammen.
    »Wenn’s um die Angelegenheiten anderer Leute geht, vielleicht.«
    »Eigentlich bin ich auf der Suche nach Jana.«
    »Hab sie nicht mehr gesehen, seit ich hier meine Skizzen ausgebreitet habe.«
    Ich wandte mich um und versuchte, den Saal zu verlassen. Als ich am Ausgang angekommen war, hielt seine Stimme mich fest.
    »Wie geht es jetzt weiter, Vater?«, fragte er. »Ich meine nur, weil morgen eine kleine Handelskarawane nach Augsburg aufbricht. Sabina und ich könnten bis Ingolstadt unter ihrem Schutz reisen.«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich, ohne mich umzudrehen. Ich wollte nicht, dass er das Entsetzen in meinem Gesicht sah. »Eswird mehr als nur zwei Tage Geduld brauchen, um die verlorenen Jahre eines halben Lebens zu überbrücken.«
    Er antwortete nichts darauf, und ich floh aus dem Saal, bevor er doch noch eine Erwiderung fand.
    Jana war nicht bei Paolo, der blass und klein unter seiner Decke schlief, die Augen dunkel und tiefliegend im Zwielicht seines deckenverhängten Raumes. Seine Kinderfrau lag wach neben ihm auf dem Bett und sah mich ruhig an. Ihre Augen glitzerten schwach in der Düsternis. Ich sah sie lächeln und mühte mich, zurückzulächeln.
    Vor Janas kleinem Raum scheute ich zurück, aber dann trat ich doch ein. Die kargen Möbel verrieten mir weder, wo sie war noch was ich zu ihr sagen sollte, wenn ich sie endlich gefunden hätte. Sie war nirgendwo im Obergeschoss und auch nicht im Speicher. Ich stieg erneut in das Kontor hinab und hatte dort ebenso wenig Erfolg.
    Schließlich endete ich wieder im Saal. Daniel stand noch immer am Pult und imaginierte einen Martinsturm voller Heiligengestalten mit den kraftvollen Gesichtern der Stoß’schen Altarfiguren. Julia, Janas Magd, kniete in einer Ecke und breitete aus einer angeschlagenen Truhe Kleider auf dem Boden aus. Ich kannte die Kleider allesamt nicht; offensichtlich kümmerte sich Julia um Sabinas Gepäck.
    »Weißt du, wo Jana ist?«, fragte ich sie. Sie sah auf und hob die Augenbrauen und machte ein überraschtes Gesicht. Sie strich den Stoff des Kleides glatt, das auf ihrem Schoß lag, faltete es einmal vorsichtig in der Mitte und legte es auf den Boden. Das Kleid hatte Staub auf ihren Rock gebracht, und sie zupfte und klopfte den Schmutz vorsichtig aus.
    »Nein«, sagte sie schließlich.
    »Julia«, sagte ich, »als Komödiantin wärst du eine krasse Fehlbesetzung.«
    Sie senkte die Blicke und ließ die Hände in den Schoß sinken. Ich sah aus dem Augenwinkel, wie Daniel sich an seinemSchreibpult umdrehte und zu uns herübersah. Plötzlich war es mir peinlich, dass mein Sohn Zeuge wurde, wie ich der Magd meiner Gefährtin zu entlocken versuchte, wo sich ihre Herrin aufhielt. Ich biss die Zähne zusammen.
    »Hat sie dir verboten zu sagen, wohin sie gegangen ist?«
    »Nein, das

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