Der Sohn des Verräters - 21
er sah nicht ein, dass sie entweder in einem Lager verschimmeln oder zum Nutzen der Föderation versteigert werden sollten.
Nicht eingepackt hatten sie dagegen sämtliche technischen Spielereien der Föderation – weder Kommunikatoren noch Computer, Rekorder oder Sendegeräte. All das war nach darkovanischem Gesetz verboten, und ihre einzige illegale Fracht bestand aus einer kleinen Schachtel „Lumens“, von selbst leuchtenden Punkten, die auf jeder Oberfläche hafteten. Herm las gerne im Bett, und mit Hilfe der Lumens konnte er es tun, ohne seine Frau zu stören. Er dachte kurz darüber nach, wie die Kinder wohl reagieren würden, wenn sie schließlich erkannten, wie sehr sich Darkover von ihrer gewohnten Umgebung unterschied. In ihrem gesamten jungen Leben hatte stets eine Berührung mit dem Finger genügt, damit sie Zugang zu enormen Datenmengen hatten oder zu umfassenden Berichten von den Planeten der ausgedehnten Föderation. Herm war sich nicht sicher, ob ihm selbst ohne Medie n noch wohl sein würde. Achselzuckend ließ er den Gedanken fallen.
Katherine war es inzwischen gelungen, ihr Haar zu einem Knoten am Hinterkopf zu drehen. Die Geschicklichkeit ihrer Finger erstaunte ihn immer wieder. Zum Glück war der Kragen ihres terranischen Gewands hochgeschlossen, sodass sie nicht unzüchtig erscheinen würde. Nachdem er so viele Jahre lang Frauen mit tief ausgeschnittenen Kleidern gesehen hatte, die ihren Nacken in einer Weise entblößten, die ihn bei seiner Ankunft in der Föderation schockierte, hatte er diese Besonderheit der darkovanischen Kleidersitten fast schon vergessen. Mit einem leichten Erschrecken fragte sich Herm, ob er sich wieder an Dinge anpassen konnte, die er nicht mehr für wichtig hielt – wie eben das Bedecken des Nackens für Frauen oder das Tragen eines Schwerts für Männer. War er noch ausreichend Darkovaner, um hier leben zu können?
Sie trotteten über das Rollfeld in Richtung des Torbogens, der den Raumhafen von dem Teil Thendaras trennte, den man die Handelsstadt nannte. Es war nicht weit, aber sie waren alle gründlich durchgefroren, als sie dort ankamen. Herm nickte den schwarz gekleideten terranischen Wachmännern träge zu und zückte seine Papiere und Dokumente, ohne sich das geringste Zögern anmerken zu lassen.
Herm hatte Katherine und die Kinder gezwungen, während des größten Teils der öden Reise in der kleinen Kabine zu bleiben. Sie wagten sich nur nach draußen, um im Speisesaal der ersten Klasse ihre Mahlzeiten einzunehmen. Trotz des großspurigen Namens handelte es sich nur um eine enge Kombüse mit im Boden verankerten Plastiktischen, Wegwerftellern und -besteck sowie einer äußerst beschränkten Auswahl in den Essensautomaten. Die Speisen waren praktisch geschmacklos, wenngleich wahrscheinlich nahrhaft gewesen, und Herm gestattete sich die Vorfreude auf richtige darkovanische Küche.
Als sie vor neun Jahren nach Renney gereist waren, um Terése ihrer Urgroßmutter vorzustellen, hatte auf den Schiffen noch so etwas wie Komfort existiert. Aber diesmal hatten sich bereits die Sparmaßnahmen bemerkbar gemacht, die jetzt überall gang und gäbe waren. Sie schienen Hermes symptomatisch für alles zu sein, was in der Föderation im Argen lag, und er war gewaltig erleichtert gewesen, als er vor einer halben Stunde den gewundenen Korridor hinabstieg, die zweite und dritte Klasse durchquerte und aus dem Schiff in das Gebäude des Raumhafens wechselte. Die anderen Passagiere in der ersten Klasse waren argwöhnische, unfreundliche Bürokraten und Geschäftsleute gewesen. Im Essbereich hatte nicht das Stimmengewirr zivilisierter Konversation geherrscht wie auf ihrer früheren Reise, sondern nur das ständige Dröhnen eines Medienkanals, der uninteressante Nachrichten verbreitete, und das Klicken kleiner Computer-Touchboards der anderen Passagiere. Herm hatte mehr aus Gewohnheit zugehört als aus einem anderen Grund und gehofft, einen Hinweis aufzuschnappen, was jenseits der Leere, in der sie unterwegs waren, vor sich ging. Nichts hatte vermuten lassen, dass weltenbewegende Dinge geschahen, und er hatte sich schon gefragt, ob er etwa einen dummen und kostspieligen Fehler gemacht hatte. Aber am dritten Tag der langweiligen Reise schnappte er eine Information auf, die seine Nerven vibrieren ließ: Es war zu einer plötzlichen und scheinbar unerklärlichen Verkaufswelle an der Entersystem gekommen, einer der großen interplanetarischen Börsen..
Merkwürdig, dachte er. Als er
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