Der Sohn des Verräters - 21
ist doch lächerlich! Wir hatten nie Verwendung für ihre Technik. Wahrscheinlich wäre es ein Segen für uns, wenn sie abzögen.“ Lew ließ ein raues Lachen hören, ein leises Brummen, so als würde ein Bär zu lachen versuchen. „Politische Körperschaften sind selten logisch, Mikhail.“ „Wie können sie dann funktionieren?“ Lew blickte nachdenklich drein. „Sie speisen sich aus Idealen und Machtkämpfen – oft entstehen politische Bewegungen aus Idealen, verkommen aber zu Machtgerangel, Größenwahn und der Auflösung genau jener Wunschbilder, der die betreffende Bewegung ihre Entstehung verdankt. In diesem Fall, glaube ich, besteht das Ideal darin, dass in der Föderation alle gleich sein werden und dass es möglich ist, einen Konsens auf dem Verfügungsweg zu erlangen. Die Expansionisten glauben, das ließe sich erreichen, wenn alle ihrem expansionistischen Weg zustimmen. Und da sie sich einer starken Opposition gegenübersehen, versuchen sie, ihre Leitbilder den Leuten mit Gewalt einzutrichtern.“
Mikhail runzelte die Stirn. Ihm war ganz dumpf im Kopf, aber er war froh um die Ablenkung, die es ihm bot, sich auf dieses sperrige Problem konzentrieren zu können, egal wie schlecht es ihm gelang. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich dich richtig verstehe. Willst du etwa sagen, diese Leute glauben, sie könnten ganze Planeten zwingen, ihre Bräuche aufzugeben und so zu werden wie Terra? Das ist das Lächerlichste, was ich seit langem gehört habe.“
„Ich weiß, es klingt unmöglich. Aber ich glaube, du hast keine Ahnung, wie stark die Wirkung von Propaganda auf die breite Masse sein kann, denn Darkover hat keinerlei Erfahrung mit einem pausenlosen Nachrichtenfluss, der nur das verkündet, was die Bürger nach dem Willen ihrer Regierung wissen sollen. Aber es ist in der menschlichen Geschichte immer wieder geschehen, wie ein ständig wiederkehrender Albtraum.“ „Erzähl mir davon.“ Mikhail sah, wie Donal hinter seinem Schwiegervater Haltung annahm, und wusste, sein Friedensmann hörte aufmerksam zu. Er empfand einen Anflug von Freude, die noch größer wurde, weil sie völlig unerwartet kam. Donal hatte sich klugerweise Danilo Syrtis-Ardais zum Vorbild genommen und bereits erkannt, dass seine Aufgabe weit mehr umfasste, als nur Leib und Leben von Mikhail Hastur zu schützen. Im Laufe der Zeit und durch Erfahrung würde Donal gewiss zu einem klugen Berater werden. Zu Mikhails Erstaunen tröstete ihn dieser Gedanke mehr, als er für mö glich gehalten hätte.
Lew Alton ließ eine Art Knurren hören, ein vertrautes Vorspiel, bevor er zu Erklärungen ansetzte. Seltsamerweise beruhigten die Gewöhnlichkeit dieses Geräuschs und die Erwartung der folgenden Rede Mikhails strapazierte Nerven.
Wenigstens das war gleich geblieben. „Als Erstes verkündet jemand, der an der Macht ist, alles würde rapide den Bach runtergehen, und schuld daran sei irgendeine Gruppe, ein Stamm oder eine Oppositionspartei, Die Sitten würden verfallen oder Eltern ihre Kinder nicht anständig erziehen. Sie behaupten, die Antwort liege in einer Reform, alle müssten sich gemäß einem Ideal verhalten, das zu ihren Vorstellungen von einer guten Gesellschaft passt. Sie verlangen absolute Konformität, und jeder, der sich nicht fügt, wird als potenzieller Feind betrachtet, wenn nicht sogar als regelrechter Verräter. Das ist zu unseren Lebzeiten so passiert, zum Beispiel vor dreißig Jahren auf Benda V.“
„Von diesem Planeten habe ich noch nie etwas gehört.“ Die Föderation hatte mehrere hundert Mitglieder, und Mikhail hatte sich nur mit zwanzig oder dreißig davon ausführlich beschäftigt. Doch obwohl er für jemanden, der Darkover nie verlassen hatte, ziemlich gut informiert war, kam er sich jedes Mal schrecklich unwissend vor, wenn die Sprache auf einen Planeten kam, den er nicht kannte. Das war reichlich kindisch, denn es gab unglaublich viele Planeten in der Föderation, und selbst weit gereiste Leute wie Marguerida und Lew wussten nicht über alle Bescheid.
„Das überrascht mich nicht, denn es ist eine ziemlich abgelegene Welt. Soweit ich mich erinnere, ist folgendes passiert:
Der orthodoxe Hohepriester verkündete, er habe eine Vision von Gott gehabt, und der einzige Weg, den Planeten vor äußerster Zerstörung zu bewahren, bestehe in einem heiligen Krieg gegen die Mitglieder der Kirche von Flan, den Rivalen der Orthodoxen, die auf Benda sehr einflussreich geworden waren. Man beschuldigte sie aller möglichen Taten,
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