Der Sohn des Verräters - 21
mittlerweile uralte Aufzeichnungsgerät seiner Mutter, das nur noch als Staubfänger diente, da sie die Batterien nicht mehr bekam, mit denen es betrieben wurde.
Es schien ihm sinnlos, über Belfontaine nachzudenken, und er ließ seine Gedanken in eine andere Richtung wandern.
Es gab so viele Dinge, die er nicht verstand, und Fragen, die er kaum formulieren konnte, geschweige denn, dass er jemanden fand, der sie ihm beantwortet hätte. Alle waren so beschäftigt und erwarteten, dass er sich um sich selbst kümmerte, nun, da er mündig war. In Wahrheit fürchtete er sich ein wenig vor den Dingen in seinem Kopf, vor den Gedanken und Erinnerungen, die darin wohnten.
Es gab Zeiten, da glaubte er sich zu erinnern, wie er empfangen wurde, obwohl er genau wusste, dass dies unmöglich war, und er fragte sich im Stillen, ob er vielleicht ein bisschen verrückt war. Aber er wurde das Gefühl nicht los, dass er Dinge wusste, die er nicht wissen konnte, und nicht einmal ein so kluger Mensch wie Istvana Ridenow vermochte ihm die Fragen zu beantworten, die ihn vor etwa fünf Jahren zu quälen begonnen hatten. Er vermisste die alte Leronis, die ihn einer Prüfung unterzogen hatte, bevor er nach Arilinn gegangen und sie selbst nach Neskaya zurückgekehrt war. Manchmal wünschte er sich, er könnte dorthin reisen und bei ihr studieren, aber er wusste, man würde ihn nie so weit von Thendara weglassen.
Großvater Lew bezeichnete die Art, wie Regis die letzten Jahre seines Lebens verbracht hatte, als „Belagerungsmentalität“ und äußerte sich in Domenics Gegenwart häufig bedauernd darüber. Er wusste, verantwortlich dafür war die Folge von Ereignissen, die lange vor seiner Geburt stattgefunden hatten, als die Weltenzerstörer Darkover zu vernichten versuchten. Mit zunehmendem Alter war Regis immer ängstlicher geworden, als würde die Vergangenheit die Gegenwart langsam auffressen und seinen Seelenfrieden zerstören.
Lew räumte die Notwendigkeit ein, die herrschende Familie zu schützen und auf Distanz zu den Terranern zu halten, dennoch schien er zu glauben, es müsse eine weniger restriktive Möglichkeit geben, das Sicherheitsproblem zu handhaben.
Domenic konnte sich nicht vorstellen, dass er kommen und gehen durfte, wie es ihm gefiel, er wagte nicht einmal, den Vorschlag zu machen. Noch war er nur ein Junge, lediglich dem Gesetz nach ein Mann, aber kein vollwertiger Erwachsener. Er würde nie Abenteuer erleben oder mehr von Darkover sehen, als er bereits kannte. Das war ein äußerst niederschmetternder Gedanke, und er beschloss, sich lieber zusammenzunehmen, sonst rief er noch seine Mutter auf den Plan, die ihn irgendein widerliches Gebräu trinken ließ.
Er war überzeugt, dass es kein Heilmittel gab für seine Gefühle, außer der Zeit, wie seine Mutter oft betonte. Er war traurig über Regis’ Tod, und das war normal. Der Gedanke, dass diese Empfindung völlig in Ordnung war, beruhigte ihn, denn in letzter Zeit war er heftig zwischen Hochgefühl und Depression hin und her geschwankt, und das ohne jeglichen Grund. Aber Alannas Stimmung schwankte genauso, vielleicht war es also wirklich nur das Alter und nichts Ernsteres.
Natürlich bereitete ihm seine Base und Pflegeschwester große Sorgen. Die beiden standen sich sehr nahe, nachdem sie die letzten zehn Jahre zusammen aufgewachsen waren, und er kannte sie wahrscheinlich besser als irgendwer sonst. Der Gedanke an Alannas Wutausbrüche beruhigte ihn nicht ge rade hinsichtlich seiner eigenen geistigen Stabilität, und er musste ständig an die Geschichten über den Elhalyn-Zweig der Familie denken, die er im Laufe der Jahre gehört hatte. Die Elhalyns galten als sehr sonderbar, und vielleicht hatte Urgroßmutter Alanna Elhalyn irgendein komisches Gen über ihre Tochter weitervererbt, das nun bei ihm und seiner Pflegeschwester zum Vorschein kam.
An Javanne Hastur zu denken, war hingegen keine gute Idee, denn dabei fühlte er sich stets absolut fürchterlich. Soweit er sich erinnerte, hatte sie ihn nie berührt, geschweige denn umarmt, wie sie es bei Rhodri und Yllana tat. Marguerida behauptete stets, das sei Javannes Problem und nicht seines, aber er musste zugeben, dass es wehtat. Die bevorstehende Ankunft seiner Großmutter auf Burg Comyn und die bereits schmerzende Anwesenheit von Gareth Elhalyn führten dazu, dass es ihm mit jeder Sekunde schlechter ging. Wenn sie ihn doch nur nicht so hassen würden!
Javanne Hastur schien allerdings vieles zu hassen, manchmal sogar
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