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Der Sohn des Wolfs

Der Sohn des Wolfs

Titel: Der Sohn des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack London
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Monate später wiederkehrte und der Yukon erwachte, schnallten sie ihre schweren Geldkatzen um und reisten zurück ins Südland, wo sie heute noch leben und ungeheuer lügen über das Klondike, das sie nie gesehen haben. Edwin Bentham war ein träger Bursche, und wenn er seine Frau nicht gehabt hätte, würde er sich freudig den Hundefraß-Spekulanten angeschlossen haben. Aber sie reizte seine Eitelkeit, erzählte ihm, wie groß und stark er sei, wie ein Mann wie er alle Hindernisse überwinden und mit Glanz das Goldene Vlies heimbringen müsse. So biß er denn die Zähne zusammen, verkaufte seinen Anteil an den Knochen und Häuten für einen Schlitten und einen Hund und wandte seine Schneeschuhe gen Norden. Es ist überflüssig, zu bemerken, daß die Schneeschuhe Grace Benthams seine Fährte nie erkalten ließen. Im Gegenteil, ehe sie sich drei Tage geplagt hatten, war es der Mann, der hinterherkam, und die Frau, die voranging und den Weg bahnte. Wenn sie jemand begegneten, wurde die Schlachtordnung selbstverständlich sofort geändert. So kam es, daß seine Männlichkeit von denen, die wie Gespenster in der Einsamkeit vorbeigingen, keinem Zweifel unterzogen wurde. Es gibt solche Männer in der Welt.
    Wie ein Mann und eine Frau ihrer Art sich überhaupt gefunden haben, ist für diese Erzählung bedeutungslos. Wie immer in solchen Dingen: Wer zu genau nachforscht, kann leicht den schönen Glauben an die ewige Zweckmäßigkeit verlieren.
    Edwin Bentham war ein Knabe, der irrtümlich den Körper eines Mannes erhalten hatte – ein Knabe, der einem Schmetterling mit Vergnügen die Flügel ausrupfen oder in irrer Angst vor einem energischen Burschen zusammenkriechen konnte, der halb so groß wie er selber war. Er war ein egoistisches, verzogenes Kind von der Größe eines Erwachsenen und mit einem Firnis von Kultur und Form, der ihn eben noch den Schein wahren ließ. Ja, das ist es, er war Klubmann und Gesellschaftsmensch – von der Sorte, die die Salons schmückt und mit Entfaltung unbeschreiblicher Anmut und Fertigkeit die größten Gleichgültigkeiten sagt; von der Natur, die dick aufträgt und über Zahn schmerzen weint; der einer Frau das Leben zu einer schlimmeren Hölle macht, als der gewissenloseste Wüstling, der je auf verbotenen Weiden graste. Wir stoßen täglich auf diese Menschen; aber wir sehen sie selten, wie sie eigentlich sind. Wenn man sie nicht heiratet, ist die beste Art, sie kennenzulernen, daß man aus demselben Napf wie sie ißt und unter dieselbe Decke wie sie kriecht. Und zwar – sagen wir – eine Woche, länger ist nicht nötig.
    Grace Bentham wirkte zart und mädchenhaft; wer sie kannte, sah in ihr eine Seele, der gegenüber die eigene Persönlichkeit gleichsam einschrumpfte, die aber trotzdem alle Anmut des Ewigweiblichen bewahrt hatte. Das war die Frau, die ihren Mann vorwärts gen Norden trieb, die ihm den Weg bahnte, wenn keiner es sah, und die in der Stille über ihren schwachen, weiblichen Körper weinte.
    So zog denn dieses seltsame Paar nach Fort Selkirk und dann achtzig Meilen weit durch trostlose Wüsten zum Stuart. Und als das kurze Tageslicht sie verließ und der Mann sich schluchzend in den Schnee warf, war es die Frau, die ihn auf den Schlitten band, die Zähne vor Schmerzen in den müden Gliedern zusammenbiß und dem Hunde half, ihn bis zu Malemute Kids Hütte zu schleppen. Malemute Kid war nicht zu Hause, aber Meyers, der deutsche Händler, briet große Elchkoteletts und bereitete ihnen ein Bett aus frischen Kiefernzweigen.
     
     
    Lake, Langham und Parter waren sehr aufgeregt, was ja auch kein Wunder war.
    »Ach, Sandy! Kannst du ein Klavier von einem Nachttopf unterscheiden, dann komm mal und pack mit an!«
    Diese Aufforderung ertönte aus der Vorratskammer, wo Langham mit großen Stücken gefrorenen Elchfleisches hantierte.
    »Rühr dich nicht vom Kochtopf!« kommandierte Parker.
    »Hör, Sandy, sei nett, lauf ins Missouri-Lager und leih ein bißchen Kaneel!« bat Lake.
    »Oh! Oh! Halt! Zum Donnerwetter, wie – « Aber das Poltern von Kisten und Elchkeulen in der Vorratskammer ließ ihn unvermittelt abbrechen.
    »Geh los, Sandy, in einer Minute bist du im Missouri-Lager – «
    »Laß ihn«, unterbrach Parker ihn. »Wie soll ich den Kuchenteig rühren, wenn der Tisch nicht abgeräumt ist?«
    Sandy hielt unentschlossen inne, bis ihm plötzlich einfiel, daß er Langhams »Bursche« war. Da warf er mit einer Entschuldigung das schmutzige Wischtuch hin und beeilte sich,

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