Der Sohn des Wolfs
der Schlittenstange. Versuchen Sie’s noch einmal. So! Das war gut. Eins – zwei – drei, eins – zwei – drei!«
Immer wieder tanzten Prince und Madeline in einem ewigen Walzer. Tisch und Stühle waren an die Wand gerückt, um Platz zu schaffen.
Malemute Kid hockte, das Kinn auf die Knie gestützt, auf dem Bett und sah mit großem Interesse zu. Jack Harrington saß neben ihm, kratzte die Geige und folgte den Tanzenden mit den Blicken.
Es war eine merkwürdige Situation, in der sich die drei Männer mit dieser Frau befanden. Am rührendsten war vielleicht, die rein geschäftsmäßige Art und Weise, wie sie die Sache anfaßten. Kein Boxer trainiert ernster für einen bevorstehenden Kampf, kein Wolfshund legt sich kräftiger ins Geschirr, als Madeline tat. Aber es war auch ein ausgezeichneten Material, mit dem sie arbeiteten, denn im Gegensatz zu andern Frauen ihrer Rasse hatte Madeline nie schwere Lasten auf langen Reisen zu tragen brauchen. Dazu war sie prachtvoll gewachsen, geschmeidig wie eine Weidengerte und von einer Anmut, die sie nur noch nicht zur Entfaltung gebracht hatte. Diese Anmut war es eben, die die Männer aus ihr herausarbeiten wollten.
»Das Schlimme ist eben, daß sie ganz falsch tanzen gelernt hat«, sagte Prince zu den beiden auf dem Bett, als er seine atemlose Schülerin auf den Tisch gesetzt hatte. »Gelehrig ist sie schon; aber es wäre besser gewesen, wenn sie nie einen Tanzschritt gelernt hätte. Nur etwas verstehe ich nicht, Kid.«
Prince ahmte eine eigentümliche Schulter- und Kopfbewegung nach, die Madeline beim Gehen zu machen pflegte.
»Ein Glück für sie, daß sie in der Mission erzogen worden ist«, antwortete Malemute Kid. »Das Gepäck, weißt du – der Kopfriemen. Andern Indianerinnen geht es schlechter, sie hat seit ihrer Verheiratung keine Lasten mehr getragen. Freilich hat sie viel mit ihrem Manne durchgemacht. Sie waren bei der Hungersnot in Forty Mile.«
»Aber können wir das wegkriegen?«
»Weiß nicht. Vielleicht könnten weite Spaziergänge mit ihren Lehrern helfen. Irgendwie wird es schon werden, nicht wahr, Madeline?«
Sie nickte zuversichtlich. Wenn Malemute Kid, der alles wußte, es sagte, nun ja, dann war es auch wahr. Mehr war darüber nicht zu sagen.
Sie war zu ihnen getreten voller Eifer, wieder anzufangen. Harrington besichtigte sie ganz wie ein Rennpferd, um ihre Chancen zu berechnen.
Das Ergebnis schien ihn nicht zu enttäuschen, denn er fragte mit plötzlichem Interesse: »Was kriegte dein alter Schlingel von Onkel für dich?«
»Eine Büchse, eine Decke, zwanzig Flaschen Whisky. Die Büchse war entzwei.«
Sie sagte das mit einem Ausdruck tiefer Verachtung, als ob die geringe Einschätzung ihres Wertes sie unangenehm berührte.
Sie sprach ein gutes Englisch mit vielen besonderen Ausdrücken ihres Mannes; aber man spürte noch einen leichten indianischen Akzent, die Neigung aller Indianer zu merkwürdigen Gaumenlauten. Auch dieses Fehlers hatten ihre Führer sich angenommen, und zwar mit nicht geringem Erfolg. In der nächsten Pause entdeckte Prince ein neues Hindernis.
»Ich sage dir, Kid, wir machen es ganz falsch. Ganz falsch. Sie lernt es nicht in Mokassins. Steck ihre Füße in Ballschuhe, und dann laß sie auf einem gebohnerten Fußboden los – dann wirst du sehen!«
Madeline hob einen Fuß und betrachtete zweifelnd ihre unförmigen Mokassins.
Letzten Winter hatte sie mit dieser Fußbekleidung viele Nächte in Circle City sowie in Forty Mile getanzt, ohne daß es sie gehindert hätte. Jetzt aber – nun ja, wenn etwas nicht stimmte, mußte Malemute Kid es wissen.
Und Malemute Kid wußte es, und er hatte ein gutes Auge für Maße. So nahm er denn Mütze und Fäustlinge und ging den Hügel hinunter, um Frau Eppingwell einen Besuch abzustatten. Deren Mann, Clove Eppingwell, spielte als Beamter des ausgedehnten Gouvernements eine große Rolle im öffentlichen Leben.
Ihren kleinen, feinen Fuß hatte Kid eines Abends auf dem großen Gouvernementsball bemerkt, und da er wußte, daß sie nicht weniger liebenswürdig als schön war, so wurde es ihm leicht, sie um einen kleinen Dienst zu bitten.
Als er zurückkehrte, zog Madeline sich einen Augenblick in das Hinterzimmer zurück. Als sie wieder eintrat, war Prince wie erschlagen.
»Donnerwetter!« stöhnte er. »Wer hätte das gedacht! Die kleine Hexe! Meine Schwester – «
»Ist ein englisches Mädchen«, fiel Malemute Kid ein, »mit einem englischen Fuß. Dies Mädel gehört einer
Weitere Kostenlose Bücher