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Der Sohn (German Edition)

Der Sohn (German Edition)

Titel: Der Sohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Durlacher
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junge Männer in die Army zu locken. Sie hätten auf den zwangsläufigen Zynismus der Kriegsmaschinerie hingewiesen, deren krankhaften Bedarf an Männern, ihrer Muskelkraft, ihrem Gehorsam. Sie hätten sich über die männliche Sehnsucht nach Heldentum lustig gemacht und sie verächtlich Ritterträume genannt. Ein Trauerspiel, dass junge Männer sich durch solche Träume verführen ließen. Und pervers, dass das Verlangen zu töten derart aufgewertet werde.
    Da habe es angefangen, erzählte Mitch.
    Nach den vielen leidenschaftlichen Monologen, die sein Vater und Großvater dem Mut der amerikanischen Soldaten gewidmet hätten, sei für ihn klar gewesen – das habe er sofort gefühlt –, dass er für diese Demonstrantinnen keinerlei Sympathie aufbringen könne und wolle. Er habe sich mit den Jungs im Irak und in Afghanistan identifiziert. Habe alle Einwände entschieden abgelehnt. Habe diskutiert. Nein, man führe die Jungs nicht an der Nase rum! Es sei sehr wohl mutig, was sie machten! Nein, sie seien nicht umsonst dort. Ja, sie verteidigten die Demokratie!
    »Es tat so gut, nicht mehr unentschlossen zu sein, Mama!«
    Ob ich mich denn nicht mehr daran erinnerte, wie oft er von der US - Army gesprochen habe?
    Doch, daran konnte ich mich erinnern. Ich hatte dabei an nichts Böses gedacht, hatte es kaum ernst genommen.
    Und die City of Berkeley habe den Demonstrantinnen auch noch recht gegeben!, fuhr Mitch entrüstet fort. Jetzt habe die Regierung der Stadt die Kürzung von Geldern angedroht, aber mit ihr auch der Universität!
    Er habe sich das ein paar Tage lang angesehen und sei dann, statt sich von Code Pink eine rosa Nadel anstecken zu lassen, in das Büro der Marines gegangen, das diese fanatischen Aktivistinnen zu blockieren versuchten. Dort hätten ihm ein paar Ex- Marines bereitwillig Auskunft erteilt.
    »So ging es los«, erklärte Mitch. »Der Typ, mit dem ich geredet habe, war wie ich, aber er hatte sich wirklich für etwas entschieden. Für ein echtes Ideal, etwas, woran er glaubte. Nichts Unwesentliches, nichts Hippes, nichts Vorübergehendes, sondern etwas Gigantisches, über ihn Hinausragendes. Das fand ich so klasse! Da wusste ich, dass es das ist, Mama. Das und nichts anderes.« Plötzlich verlegen, starrte Mitch auf seine Hände.
    »Dein Großvater war jünger als du, als er in Auschwitz saß«, flüsterte ich. »Seine Eltern wurden ermordet! Das war echt, das war kein Spiel! Sie wurden von einem Krieg zermalmt, mit dem sie nichts zu tun haben wollten. Und du… du willst in Kriege ziehen, die dich gar nichts angehen! Findest du das nicht pervers? Findest du nicht, dass auf Generationen hinaus genug gelitten wurde? Frieden ist ein so wahnsinnig seltenes Gut. Wir sollten uns verpflichtet fühlen, ihn auszukosten, ihn zu nutzen!«
    »Mama!«
    Mitch schien Mühe mit der richtigen Tonhöhe zu haben, er hörte sich an wie im Stimmbruch.
    »Ja«, sagte ich.
    »Du kennst doch den Satz: Wer einen Menschen rettet, rettet die ganze Welt…?«
    Jetzt war seine Stimme tief vor Ergriffenheit, Ergriffenheit über die eigene dramatische Entschlossenheit, wie es schien.
    »Das ist ein schönes Credo, finde ich«, fuhr er fort. »Aber andersherum gilt doch auch: Wenn Menschen oder Völker leiden, geht die ganze Welt zugrunde. In Afghanistan leben Menschen in Unterdrückung. Die Taliban bedrohen das gesamte westliche Denken, die Freiheit, für die jahrhundertelang gekämpft worden ist. Und Afghanistan ist für sie nur die erste Hürde…!«
    Ich konnte es nicht mehr hören.
    »Das mag ja alles sehr wahr und nobel sein, mein lieber Schatz, aber du bist mein Sohn! Wie kann ich zulassen, dass du dich der riesigen Gefahr aussetzt, ums Leben zu kommen? Gegen versteckte Terroristenbomben kannst du dich nicht verteidigen, da nützt das beste Training nichts. Sie begehen die größten Grausamkeiten! Und du bist mein Sohn!«
    Mitch schwieg eine Weile. Dann sagte er: »Herrgott, Mama, das ist genau das Gespräch, das ich nicht wollte.«
    »Dachtest du etwa, du könntest das umgehen?«, herrschte ich ihn an. »Und noch etwas. Mit all deinem Pathos und deiner Kriegsrhetorik denkst du wohl, dass dein Großvater das gewollt hätte. Aber ich kann dir versichern, dass du dich irrst! Dein Großvater hasste den Krieg, der hätte das absurd gefunden! Was bildest du dir ein? Nie, nie, nie hätte er gewollt, dass du Soldat wirst!«
    Mitch schwieg wieder. Mir schien, dass er wirklich kurz verunsichert war.
    Doch dann sagte er fast

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