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Der Sohn (German Edition)

Der Sohn (German Edition)

Titel: Der Sohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Durlacher
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mitleidig: »Ach nein? Das weißt du doch überhaupt nicht, Mama. Du bist meine Mutter. Du willst mich wieder mal beschützen. In deinen Augen ist alles gefährlich. Das war schon immer so. Du willst mich so sehr beschützen, dass du mir nicht mal erzählen wolltest, dass du nicht gestürzt bist, sondern irgendein Prolet das mit deinem Knöchel auf dem Gewissen hat.«
    Mir zog es kurz den Magen zusammen. In diesem Zimmer, im Beisein meines Sohnes an DAS TIER erinnert zu werden, verursachte mir physische Übelkeit.
    Mitch sah meine Verwirrung, und bevor ich etwas erwidern konnte, sagte er: »Ebendeswegen will ich zum Militär. Weil ich Menschen vor Proleten beschützen will. Verstehst du?«
    Ich blickte auf meine Hände und schwieg so vielsagend ich konnte.
    Er fuhr fort: »Vielleicht nimmst du mich in ein paar Jahren ernster.«
    »Ja«, schrie ich. »Wenn du dann noch lebst!«
    Ich gestattete mir einen tiefen Schluchzer.
    »Und jetzt tschüs, liebe Mama. Ich muss zur Vorlesung, okay? Ich muss gehen.« Er erhob sich und beugte sich, wenn auch linkisch, doch noch zu einem Kuss zu mir herunter – den ich ihm gab, während ich mich erhob.
    In dem Bedürfnis, ihn zu beschützen, schlang ich die Arme um ihn, sah dabei aber wohl eher wie eine Ertrinkende aus. Und so fühlte ich mich auch.
    Er sperrte sich dagegen, und als ich seinen Widerstand spürte, ließ ich ihn los – oder schüttelte er mich ab?
    Als er zur Tür ging, sah ich, dass er weinte.
    »Wollen wir heute Abend zusammen essen gehen?«, fragte ich. Ich hörte, wie flehentlich meine Stimme klang.
    »In Ordnung«, antwortete er. Es klang wenig begeistert. »Wenn du versprichst, dass du Ruhe gibst. Ich muss dann zwar was absagen, aber okay. Ich gehe jetzt, Mam.«
    »Ich ruf dich später noch mal an. Ciao, Schatz. Passt du auf dich auf?« Ich war schon wie mein Vater.
    »Jaahaa. Pass du auch auf dich auf.« Genauso mein Vater.
    50
     
    Nachdem Mitch weg war, hätte ich am liebsten den Rest des Tages im Bett verbracht, im sicheren Halbdunkel meines Hotelzimmers. Aber das gestattete ich mir nicht, denn ich hatte das Gefühl, dass es Unglück brachte, wenn ich mich versteckte. Spazieren gehen konnte ich nicht, also bestellte ich mir einen Leihwagen. Vielleicht würde mich der Blick auf die Golden Gate Bridge beruhigen.
    »Und, was hat er gesagt?«, fragte Jacob.
    Ich fuhr auf der Autobahn, hatte gerade Emeryville hinter mir gelassen und sah in der Ferne schon das offene Wasser. Man ist auch nie richtig frei, dachte ich. Zumal, wenn man so blöd ist, das Handy mitzunehmen. Die Verbindung war schlecht. Als stürmte es in der Leitung.
    »Dass er sich sicher ist. Aber das wusstest du ja längst!«, blaffte ich.
    »Du bist überfallen worden, dein Vater ist gestorben, du schreist noch immer jede Nacht im Schlaf. Sollte ich dir da auch noch erzählen, dass Mitch zum Militär will?«
    Das ließ mich doch kurz verstummen.
    »Schreie ich jede Nacht?«
    »Ja.«
    »Was denn?«
    »Kann ich nicht immer verstehen. Aber du schreist ziemlich laut, ich wundere mich immer, dass du nicht selbst davon wach wirst. Du hast offenbar viel zu verarbeiten. Und Mitchs Brief war ZU VIEL . Ich habe es ja selbst kaum verkraftet. Ist es denn so schlimm, dass ich dich schonen wollte? Macht mich das zu einem schlechten Menschen?«
    »Er ist sich ganz sicher«, seufzte ich. »Er hat sich Argumente zurechtgelegt – du hast ihm Argumente geliefert. Er kann nicht mehr zurück, selbst wenn er wollte.«
    »Würdest du denn wollen, dass er jetzt noch einen Rückzieher macht?«
    »Ja!«
    »Wirklich? Wärst du nicht enttäuscht von deinem Sohn, wenn er seine Entscheidung auf Mamas Bitten hin rückgängig machen würde? Wie ein braver kleiner Junge?«
    »Das ist ja wohl nicht dein Ernst! Bist du bescheuert? Nein! Nein! Mit der Sorte von Enttäuschung kannst du mir gestohlen bleiben! Es wird noch genügend andere Gelegenheiten geben, wo er seine Unabhängigkeit beweisen kann. Nein, ich wäre überglücklich! Ich würde dafür den Eiffelturm rauf- und runterrennen, und das gleich zweimal. Ich würde ihm sofort ein Auto schenken. Obwohl ich das auch gefährlich finde. Ich würde nie wieder meckern und schimpfen. Alles ist besser als ein Sohn bei der Army. Heute Abend habe ich noch eine Chance, wir gehen zusammen essen. Da werde ich ihn erpressen und bestechen und bearbeiten bis zum Umfallen.«
    »Wo geht ihr hin?«
    »In ein Thai-Restaurant, wo Mitch öfter essen geht. Es heisst ›Plearn‹.«
    Das Rauschen in

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