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Der Sohn (German Edition)

Der Sohn (German Edition)

Titel: Der Sohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Durlacher
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hatte seiner Offerte für den umfangreichen Ausbau des Wohnzimmers den Vorzug vor drei anderen gegeben, weil er den Namen eines bekannten NSB lers trug (mein Vater kannte die Namen ungefähr aller niederländischen Nationalsozialisten). Aus Prinzip, wie er sagte. »Denn es gibt keine Erbsünde.«
    Meine Mutter hatte von Anfang an Bedenken gegen den Mann gehabt und sich über die Entscheidung meines Vaters mokiert. Leider hatte der Mann dann tatsächlich einen völlig untauglichen Wintergarten gebaut, so dass meine Eltern ihn schließlich immer grimmiger und keineswegs mehr im Scherz »den Nazi-Maurer« genannt hatten. Ja, manchmal sogar »den Antisemiten«. Er brauchte eine Ewigkeit für den Ausbau, und am Ende war das Dach undicht. Schon beim ersten größeren Sturm sackte der Boden an einigen Stellen ein, und es zog durch die Fenster. Der ganze Wintergarten war schief und krumm.
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    Meine Mutter erzählte die ganze Geschichte. Herman hatte Zeter und Mordio geschrien, aber der Bauunternehmer wollte keine Abhilfe schaffen. Er stellte sich einfach taub. War auch nie da, wenn Herman anrief. Herman ließ es nicht darauf beruhen, sondern schaltete einen Anwalt ein. Doch auch auf dessen Vermittlungsbemühungen wollte der Mann sich nicht einlassen. Er hatte ja sein Geld schon bekommen, und davon gab er keinen Cent zurück.
    Daraufhin verklagte mein Vater ihn und ließ parallel dazu ein anderes Bauunternehmen den Schaden beheben, weil das Haus sonst unbewohnbar gewesen wäre.
    »Papa konnte sich gar nicht mehr beruhigen! Ich wollte euch nicht damit belästigen – das heißt, vor allem Jacob nicht, denn der geht immer gleich aufs Ganze. Ihr wart damals gerade aus Amerika zurück.«
    Sie hielt inne.
    »Mam? Bitte, was noch?«
    »Na ja, Papa ließ nicht locker. Er hat es euch nicht erzählt, aber er ist durch alle Instanzen gegangen. Es kostete irrsinnig viel Zeit. Die meisten Leute lassen es lieber irgendwann. Zu viel Aufwand, zu viel Ärger. Aber Papa war das egal. Der war Kummer gewohnt.«
    »Warum hat er uns denn bloß nichts davon gesagt?«
    »Weiß ich nicht. Aber still jetzt. HÖR ZU . Herman ist eisern geblieben und hat so lange Druck gemacht, bis die Sache schließlich vor Gericht entschieden wurde. Er habe doch sowieso nichts zu tun, sagte er immer. Und Zorn verleihe Flügel. Tja, und vor vier Monaten war es dann durch.«
    »Wie? Was?«
    »Das Urteil.« Meine Mutter schob sich ein halbes Plätzchen in den Mund. Kauend murmelte sie: »Prozess gewonnen. Herman war so glücklich! Ich werde dir mal die ganze Korrespondenz zeigen. Und wenn man dann bedenkt…«
    »Dass er das gar nicht mehr auskosten konnte«, ergänzte ich.
    »Ich fand es schrecklich, dass ihr nichts davon wusstet.«
    »Du hättest es uns doch sagen können. Warum hast du nichts gesagt?«
    »Ach, ich weiß nicht. Das Ganze war zu einem kleinen Privatkrieg geworden. Papa empfand es zwar durchaus als Sieg, aber er schämte sich auch ein bisschen dafür, wie viel Zeit er da hineingesteckt hatte. Das war natürlich auch eine gewisse Ermüdung. Der Wintergarten stand inzwischen schon mehrere Jahre. Gut war, dass dieser Mistkerl endlich einen ordentlichen Denkzettel bekam. Das Urteil erging wirklich ganz kurz vor Papas Sturz, vielleicht zwei Wochen davor. Da hatte er noch gar nicht alle Anwaltskosten bezahlt. Du weißt, wie Papa mit Geld war.«
    Das wusste ich in der Tat. Schwierig. Knauserig – wie seine ganze Generation. Überkompensation nach all den Entbehrungen, so beschönigte ich seinen Geiz immer. Und trotzdem so einen Prozess durchziehen.
    Meine Mutter sah mich ein wenig unsicher an.
    »Dieser Mann ist daran pleitegegangen. Also sein Betrieb. Das war natürlich nur richtig, denn er war wirklich ein Halunke. Ein ganz übler Pfuscher. Unfassbar, dass so jemand überhaupt einen Betrieb führen darf. Ich werde dir mal Papas Mappe mit den Unterlagen zeigen. Er hat alles aufgehoben.«
    Sie stand auf, um noch einmal Tee aufzugießen, so ungeschickt, dass es mich ganz nervös machte.
    Dann fuhr sie fort: »Aber so gut es auch ausgegangen war – ich hatte seither, ehrlich gesagt, ein bisschen Angst. Denn dieser Mann ist jetzt bestimmt unheimlich wütend, und er wohnt ja auch hier im Ort. Das habe ich nachgeschlagen. Weißt du, Saar, was ich eine Zeitlang gedacht habe?«
    »Was?«
    »Nein, das ist natürlich Unsinn. Paranoia. Aber dass Herman gestürzt ist – wie kam das?«
    Ich starrte sie an. »Jetzt spinn nicht rum, Mam!«, rief ich.
    »Der wollte

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