Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Titel: Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
Vom Netzwerk:
winzige Knöchelchen aus Kalk. In ihrer Erinnerung lebt Irland als Miniatur oder als Stillleben. Es ist der weiße Sand, es ist das Farbenspiel der See, ihr Grün, ihr Türkis, das tiefe Blau, es sind die Tanghaufen, die wie fette Robben auf den Felsen liegen.
    Aoife ist jetzt im Wasser, Monica hört ihre Schreie. Vita springt bedenkenlos hinterher. Da haben sich die Richtigen gefunden. Weiß Claire, wie viel Ärger dieses Kind noch machen wird? Eine Welle wirft Vita um, aber Michael Francis ist schon zur Stelle und hievt sie aus dem Wasser. Sie schreit und tritt, doch sobald sie festen Boden unter den Füßen hat, ist alles vergessen, und sie lacht schon wieder. Monica denkt: An diesem Kind perlt alles ab.
    Hughie macht sich daran, ein Loch zu buddeln. Er scharrt wie ein Hund, und der Sand fliegt in hohem Bogen nach hinten. Vita schaut kurz zu und macht es ihm nach. Als Michael Francis sich umdreht, steht überraschenderweise seine Frau hinter ihm. Er legt den Arm um sie, und die Lücke zwischen ihnen schließt sich. Es ist reiner Instinkt, es war nicht geplant, doch als sich ihr Körper an seinem ausrichtet, fühlt es sich so normal, so richtig an, dass er sich natürlich fragt, wann diese Nähe ein Ende hat, weil sie sie nicht mehr zulässt. Andererseits, seit wann haben sie nicht mehr so beisammen gestanden? Auf jeden Fall sehr lange nicht. Warum eigent lich?
    Zumindest geht sie nicht gleich wieder auf Distanz, sondern legt ihrerseits den Arm um ihn. Er spürt ihre Hüfte an seiner und schließt die Augen, denn besser kann es nicht mehr werden. Er stellt sich das Bild vor, das sie jetzt zusammen abgeben, und ist beinahe eifersüchtig auf sich selbst.
    »Danke, dass du mitgekommen bist«, sagt er.
    »Sei nicht albern«, sagt sie und legt ihren Kopf unter sein Kinn. »Warum sollte ich nicht mitkommen?«
    Nachdem er seine Mutter und Monica gestern in der Gillerton Road abgeliefert hatte, wollte Aoife plötzlich nicht mehr bleiben. Die schlechte Stimmung zwischen Monica und Gretta war zur alles vernichtenden Schlacht geworden. Sie weinten und schrien sich nur noch an, besonders Monica war außer sich und kriegte sich auch nicht wieder ein. Ausgerech net Monica, Mammys Liebling, die Vertraute seit Urzeiten. Wie konntest du mir das antun, schluchzte sie, mich so zu belügen und so zu tun, als wärst du verheiratet, während du in Wirklichkeit …. Und Gretta hielt heulend dagegen: Es tut mir ja auch leid, ich entschuldige mich, ich wollte nicht lügen, ich habe doch nur … ich meine, ich konnte doch nicht …
    Er war schon im Flur, wollte gehen, um zu Hause seine Sachen zu packen. Monica war gerade bei der Episode, in der sie von Gretta zur Beichte geschleppt wurde, weil sie vor der Ehe mit Joe geschlafen hatte, wofür sie laut Gretta noch mit dem ewigen Höllenfeuer büßen würde. Er hatte sich nur noch einmal umgedreht, um auf Wiedersehen zu sagen, als Aoife mit verschränkten Armen neben ihm stand.
    »Wohin willst du?«, fragte er.
    »Egal. Ich richte mich da nach dir«, sagte sie. »Aber hier bleibe ich keine Minute länger.«
    Zu Hause angekommen trafen sie auf Hughie und Vita. Sie saßen nebeneinander auf der Treppe und hatten diesen verwirrten Ausdruck im Gesicht. Aus dem Wohnzimmer drang fremde Unterhaltung, fremdes Gelächter und irgendein Zithergeklimper, das er in diesem Haus auch noch nicht gehört hatte.
    »Was ist denn hier los?«, fragte er die Kinder.
    Hughie blickte erst Aoife an und dann auf die verschlossene Wohnzimmertür. »Die haben gerade ihre Nachbereitungsgruppe«, formulierte er mit einer Genauigkeit, die Michael Francis das Herz brach. Er konnte tatsächlich spüren, wie innen etwas kaputtging, als er seine Kinder so sah, und dass die Scherben durch seinen Körper rasselten.
    Claire kam und schloss die Wohnzimmertür hinter sich.
    »Oh«, sagte sie, »du bist’s. Ich wusste nicht, ob du wiederkommst oder ob du …«
    »Natürlich komme ich wieder«, sagte er. »Warum denn nicht? Warum tust du immer so, als wäre ich hier nicht mehr zu Hause?«
    Mit beiden Händen hielt Claire die Tür hinter sich geschlossen. Sie war rot im Gesicht, sah zerrauft aus, und ihre Haare standen ab wie manchmal, wenn sie Rotwein getrunken hatte. »Aber das tue ich doch gar nicht. Es ist nur …«
    In diesem Moment drängte eine ihm unbekannte Frau durch die Tür. Sie trug ihr ergrauendes Haar – wie Vita zuweilen – in kleinen Zöpfen und des Weiteren einen ausladenden Wickelrock.
    »Willkommen!«, sagte die

Weitere Kostenlose Bücher