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Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Titel: Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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fällt ihr nicht ein.
    »Gehst du nicht rein?«, fragt Aoife.
    »Ich?« Ihre ganze Gestalt erstarrt vor Schreck. »Nein, ich kann nicht schwimmen.«
    Aoife, die sich gerade die Jeans anzieht, hält inne. »Du kannst nicht schwimmen?«
    Monica schüttelt den Kopf. »Nein.«
    »Echt nicht?«
    »Nein.«
    »Glaub ich nicht.«
    Monica gefällt dieses Verhör nicht. »Stimmt aber«, sagt sie mit Nachdruck. »Frag Michael Francis.«
    Aoife tritt näher, setzt sich in den Sand, hält aber Abstand zu ihrer Schwester. »Woran liegt das?«
    »Ich weiß nicht«, sagt Monica in ihrem Rücken. »Ich habe es eben nie gelernt. Ich hatte immer Angst vor dem Tiefen.«
    »Hattet ihr keinen Schwimmunterricht? Mit sadistischen Lehrern, die am Beckenrand stehen und dich bei jedem Fehler mit einer Stange stoßen?«
    »Ich war ein einziges Mal da. Aber es hat mir nicht gefallen.«
    »Na, so was.«
    Monica antwortet nicht, und Aoife sieht sie an. Monica wirkt verunsichert, als würde sie gerade von ihrer Schwester aufgezogen.
    »War doch nur ein Witz. Sadistische Lehrer, die Kinder mit Stangen traktieren? Man nennt das Sarkasmus.«
    »Ach so.« Monica nickt und streicht sich das Kleid glatt. Das Kleid sitzt makellos, doch gerade dadurch erscheint es Aoife unerträglich warm und beengend. »Schwimmen ist nicht unbedingt mein Ding.«
    »Okay.«
    So sitzen sie am Strand beisammen, ohne sich wirklich nahe zu sein. Aoife streckt die Beine und malt mit den Zehenspitzen präzise Halbkreise in den Sand, die sie wiederholt von der Seite betrachtet, als sei vor allem der Gesamteindruck wichtig.
    »Was meinst du, wie es mit ihnen weitergeht?«, sagt Monica und deutet auf Michael Francis und Claire, die sich nach wie vor am Wasser aufhalten. Sie sehen die dramatischen Gesten von Claire und einen Michael Francis, der immer noch geknickt im Sand sitzt. »Glaubst du, sie bleiben zusammen?«
    Aoife dreht sich eine nasse Haarsträhne um den Finger und sagt: »Frag mich was Leichteres.«
    Als Gretta die Klosterpforte erreicht, ist sie völlig geschafft. Ihr ist heiß, sie kriegt keine Luft mehr. Obendrein ist sie stinksauer. Niemand hatte ihr gesagt, wie lang und steinig der Weg wirklich war und das mit ihrem schlimmen Knie. Und hätte sie nicht bei jedem Schritt höllisch aufgepasst, wäre sie garantiert mit dem Fuß umgeknickt.
    Sie schwitzt, sie keucht, und sie verwünscht ihren Mann, als sie an der Klingelschnur zieht. Dreist ist das. Wie kommt er dazu, sich einfach aus dem Staub zu machen und sie und ihre Kinder und Kindeskinder solchen Strapazen auszusetzen? Was um alles in der Welt hat er sich dabei …
    Die Pforte öffnet sich, und eine Nonne erscheint, bei deren Anblick Grettas künstlich aufgeplusterte Empörung in sich zusammenfällt, als hätte jemand mit einer Nadel hineingestochen.
    »Guten Tag, Schwester«, sagt Gretta, um Demut bemüht, und wäre beinahe niedergekniet. »Ich will Sie keinesfalls stören, aber vielleicht können Sie mir helfen. Ich suche nämlich meinen …« bei dem Wort »Mann« steckt sie fest, sie bringt es nicht über sich, dieser Braut Christi ins Gesicht zu lügen. Die Frau, alt geworden in Würde und heiterer Gelassenheit, sieht sie unter der weißen Haube fragend an. »Also es geht um meinen Robert … oder Ronan. Ronan Riordan, er ist der Besuch von Frankie, das heißt Francis …« Gretta ist der Name entfallen. »Francis Riordan.«
    Die Ordensfrau neigt den Kopf. »Kommen Sie«, sagt sie. »Ich führe Sie hin.«
    Gretta folgt ihr in eine große Vorhalle mit dicken Teppichen, in denen sie beinahe versinkt. Von dort geht es weiter durch Gänge und über verschiedene Treppen, bis sie in einem Korridor sind. Hier ergreift sie auf einmal eine Angst, die stärker ist als alles, was sie je in ihrem Leben erlebt hat. Die Suche nach Robert war ja schön und gut und hatte ja auch schöne Seiten, vor allem durch den Besuch ihrer Kinder, aber jetzt, da sie wie ein armer Sünder hinter der Nonne herschleicht, fragt sie sich, ob Robert überhaupt gefunden werden will. Vielleicht weigert er sich zurückzukommen, und sein Abschied war ein Abschied für immer? Vielleicht bedeutet seine Reise in die Vergangenheit auch die Trennung von seiner Familie? Warum hat sie nicht früher daran gedacht? Was um Gottes willen tut sie hier?
    Sie kommen an einem großen Kruzifix vorbei, einem Bild vom Papst, einem Gobelin mit einer biblischen Szene in Orange und Violett, die Gretta nicht zuordnen kann. Im Hintergrund ist ein klotziger Hügel und im

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