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Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Titel: Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Frau und riss die Arme hoch.
    »Willkommen?«, fragte Michael Francis, aber den Witz verstand sie nicht, denn sie wollte sich gleich Aoife greifen.
    »Willst du bei uns mitmachen?«, sagte sie, und ihre Augen leuchteten vor quasireligiösem Eifer, was Michael Francis’ Laune nicht verbesserte. Trotzdem war er froh, dass er Aoife bei sich hatte, denn anders als Monica und Gretta wurde sie mit solchen Dreistigkeiten fertig.
    »Du wirst sehen, wir sind ein netter Haufen«, sagte die Frau zu Aoife. »Ich bin die Angela, und das ist Claire. Es ist ihr Haus, wo wir uns heute …«
    Aoife blieb unbeeindruckt und wandte sich stattdessen zur Treppe, wo sie Vita und Hughie an die Hand nahm. »Wollt ihr mir mal euer Zimmer zeigen, ich war ja noch nie da. Kommt, gehen wir nach oben.«
    Die Unbekannte verdrückte sich ins Wohnzimmer, und er war mit Claire plötzlich allein im Flur. Er setzte sich auf die unterste Stufe, lehnte den Kopf an den Treppenpfosten und war überrascht, wie tröstlich, wie lindernd das weiche lackierte Holz seine Schläfe berührte. Er schaute seiner Frau nicht ins Gesicht, sondern nur auf die nackten Füße. Sie hatte schon immer schöne Füße gehabt, schmal, mit einem schwungvollen Gewölbe und perlmuttfarbenen, ebenmäßi gen Nägeln. Nicht wie seine behaarten Plattfüße mit den vielfach gebrochenen und schief zusammengewachsenen Zehen aus seiner Rugbyzeit. Er nahm sich vor, es kurz zu machen, und legte ihr in drei Sätzen seinen Plan dar, wobei er weiterhin nur auf ihre Füße schaute, das perlmuttene Ebenmaß ihrer Nägel, das blaue Geflecht der Venen auf dem Spann. Also: Die ganze Familie bricht noch heute Abend nach Irland auf, sie nehmen die Nachtfähre. Aufbruch ist in einer halben Stunde.
    »Ach ja, und ich nehme die Kinder mit. Was du machst, bleibt dir überlassen. Ich mische mich da nicht mehr ein.«
    »Okay, dann mache ich mich mal fertig«, sagte die Herrin der Füße. »Ich komme mit.«
    Am Strand von Mannin Bay springt Hughie immer wieder in das ausgebuddelte Loch und klettert wieder heraus. Vita tritt das flache Wasser zu Fontänen, die für einen winzigen Moment einen Regenbogen bilden.
    »Hör mal«, sagt er zu Claire, die immer noch dicht bei ihm steht.
    »Mike«, sagt sie, »ich muss dir etwas sagen.«
    Er löst sich von ihr. »O Gott, nein.«
    »Was ist denn?«
    »Bitte nicht.« Er hält sich die Ohren zu. Was sie jetzt sagt, will er gar nicht hören. Er erträgt es nicht. Am liebsten würde er weglaufen, sich ins Auto setzen und nie mehr anhalten, nur um der Wahrheit zu entgehen.
    »Was hast du? Du weißt doch gar nicht, was ich sagen will.«
    »Ich … kann das jetzt nicht.« Er lässt sich in den Sand sinken. »Sag es nicht.«
    »Was soll ich nicht sagen?«
    »Es.«
    »Und was soll das sein, es?«
    »Dass du«, er macht eine diffuse Handbewegung, »dass du mit einem anderen geschlafen hast. Aber ich will es nicht hören. Sag es nicht. Nicht jetzt, bitte.«
    Aoife schwimmt auf dem Rücken und schaut in den hohen Himmel, bis ihre Füße Grundberührung haben und sie verblüfft feststellt, dass sie längst im Flachen ist und nicht weit draußen, wie sie annahm. Sie steht auf, zieht sich den nassen Slip hoch und watet aus den Wellen. Sie ist außer Atem, und ihre nassen Strähnen kleben an Schulter und Rücken. Sie kommt an Michael Francis vorbei, der gesenkten Hauptes im Sand sitzt, während Claire über ihm steht. Weiter hinten schöpfen die Kinder unentwegt Wasser aus dem Loch, das sich jedoch ebenso schnell wieder füllt.
    »Na, das ist wohl alles nicht so leicht?«, sagt sie im Vorübergehen, und die beiden sehen sie mit geradezu intergalaktischer Befremdung an. Vermutlich weil sie sich tatsächlich nicht mehr am Strand der Mannin Bay aufhalten, sondern in ihrem eigenen Problemuniversum.
    Aoife nimmt ihre Sachen vom Boden, schüttelt Sand und Seegras heraus. Monica sitzt ein Stück weiter, die Knie geschlossen, den Rock straff gezogen, geradeso, als posiere sie für ein Foto. Aoife kann darüber nur den Kopf schütteln. Sie streift ihren klatschnassen BH ab und zieht sich die Bluse über.
    »Wie war das Wasser?«, ruft Monica aus der Distanz. Strand und Meer flirren in der Hitze, Tang vertrocknet zu Stein, Sand zerknistert zu Puder.
    Aoife blickt zu ihrer Schwester hinüber. Monica hat die Hände im Schoß gefaltet, ihr Gesicht verschwindet fast hinter der übergroßen Sonnenbrille. »Angenehm«, sagt sie.
    Monica wartet einen Moment und nickt dann. Mehr als diese Frage

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