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Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman

Titel: Der Sommer, als der Regen ausblieb - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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hochgingen.
    Doch schon am nächsten Tag kam er wieder und auch den Tag danach. Er hatte offenbar eine Entscheidung getroffen, und das gefiel ihr, diese Eindeutigkeit, diese Entschiedenheit. Seine Kriegserlebnisse kamen in ihrer ganzen Ehe übrigens nur ein einziges Mal zur Sprache. Es war in der Rosebery Avenue, sie gingen Arm in Arm, und als sie an einem Zeitungsverkäufer vorbeikamen, blieb Gretta kurz stehen, um eine Zeitung zu kaufen, man musste doch wissen, was vorging in der Welt. Robert nahm also eine Zeitung und wollte soeben bezahlen, als es geschah und er erstarrte. Gretta sah ihn an, sah auf die Zeitung in seiner Hand. Sie sah diese furchtbare Lähmung in seiner Miene. Sie sah aber auch, dass gerade zwei Männer in britischer Infanterieuniform an ihnen vorbeikamen, die von alledem überhaupt nichts merkten, sondern nur rauchten und sich unterhielten. Sie griff in ihr Portemonnaie, um endlich den Zeitungsverkäufer zu bezahlen und zog Robert weiter, bugsierte ihn in ein nahe gelegenes Café, wo sie ihm eine Tasse Tee bestellte und ihm die Zeitung aus der Hand nahm. Ihr war klar, dass sie diesmal Pause hatte, dass sie das große Schweigen nicht wieder mit ihren Geschichten füllen konnte. Also tat sie erst einmal gar nichts, sondern wartete, rührte Zucker in seinen Tee, legte ihre Hand auf seine Hand. Es dauerte, aber irgendwann fiel das erste Wort, und er erzählte ihr Dinge, die noch nie je mand zu hören bekommen hatte. Über das Warten in den zerstör ten Hafenanlagen von Dünkirchen, wo die deutschen Flieger Flugblätter abwarfen, auf denen stand, dass sie erledigt seien, so gut wie tot, jeder Fluchtweg versperrt. Und er, Robert, war auf dem letzten Boot, das Dünkirchen verließ, buchstäblich dem letzten. Bis sie ihn aus dem Wasser fischten und er auf den nassen Planken lag, hatte er sich zu denen gerechnet, die man aufgegeben hatte und einfach ihrem Schicksal überließ. Leichen auf Urlaub, die zusehen sollten, wie sie allein nach Hause kamen. Und Gretta saß da und hörte nur zu. Und als er sagte, er habe eigentlich nie darüber sprechen wollen, sagte sie: Das müssen wir auch nicht.
    Die anderen Mädels nannten ihn nur den »feinen Herrn«. Hier kommt Grettas feiner Herr, flachsten sie hinter ihrer Lyons-Tea-Theke, sobald er durch die Tür kam, immer im gediegenen schwarzen Mantel, mit frisch geputzten Schuhen, einen Blumenstrauß in der Hand. Und als er ihr einen Heiratsantrag machte (auf dem Oberdeck eines Busses in der Pentonville Road), nahm sie nur seine Hand und schloss die Hand und sagte gar nichts, denn dieser Augenblick sollte nie vorübergehen.
    Gretta lässt Geldstücke und Büroklammer wieder in die Tasche gleiten. Sie setzt sich aufs Bett, seine Seite des Betts, und schaut auf die Straße, den Himmel, die Marienkäfer auf der Fensterscheibe.
    Sie weiß noch, wie erschrocken sie war, als sie bei ihrer Verlobung merkte, wie allein er im Grunde war. Er hatte tatsächlich niemanden, keine Eltern, keine Geschwister, keine Cousins, keine Freunde oder Bekannte, keinen, dem er seine Verlobung hätte mitteilen können. Für sie war das ein Schock, denn egal, wo sie war, sie scharte immer Menschen um sich. Wie ging so etwas? Wie konnte man es im Leben so weit bringen und gleichzeitig so allein bleiben? Es musste einmal einen Bruder gegeben haben, jedenfalls sagte er das, aber der Bruder war »verstorben«, und seinem Ton nach konnte sie sich ausrechnen, dass es bei den Unruhen geschehen war. Robert erwähnte den Bruder danach nie wieder, und Gretta fragte auch nicht. So hatten sie es immer gehalten, es war wie eine unausgesprochene Vereinbarung.
    Aber wie schön Monica an ihrem Hochzeitstag war! Wie behutsam sie in ihren elfenbeinfarbenen Satin-Pumps die Treppe hinabstieg, das Kleid hochgerafft. Wie ein Engel auf seiner Wolke. Robert hatte geweint, als er sie so sah. Er hatte so geweint, dass er sich am Treppengeländer festhalten und sie ein Taschentuch holen musste. Dann hatte sie ihn ins Gästeklo geschoben und sich mit ihm eingeschlossen. Sie und er in dem winzigen Kabuff. Sie in ihrem neuen Kostüm mit dem dazu passenden Hut. Was ist los mit dir, wollte sie wissen und nahm seine Hand. Was quält dich denn so? Wobei ihr selber das Herz bis zum Hals schlug. Robert, du kannst es mir sagen, das weißt du. Gute fünf Minuten wartete sie so. Er saß auf dem Klodeckel, sie stand direkt vor ihm. Aber irgendwann war klar, dass er nichts sagen würde, und sie meinte nur: Dann reiß dich wenigstens

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