Der Sommer, als ich schön wurde
Beck ihr Mädchenname ist«, erklärte meine Mutter und drückte ihre Zigarette aus. Beide rauchten nur, wenn sie zusammen waren, es war also eine besondere Gelegenheit. Wenn sie mit Susannah zusammen rauchte, sagte meine Mutter, dann fühle sie sich wieder jung. Ich erklärte ihr, das Rauchen würde ihre Lebensdauer um Jahre verkürzen, doch sie winkte bloß ab und nannte mich eine Schwarzseherin.
»Wieso Mädchenname?«, fragte Jeremiah. Mein Bruder tippte auf Jeremiahs Blatt, damit er wieder mitspielte, aber Jeremiah beachtete ihn nicht.
»So nennt man nun mal den Namen einer Frau, bevor sie heiratet, Schwachkopf«, sagte Conrad.
»Sag nicht Schwachkopf zu ihm, Conrad«, mahnte ihn Susannah reflexartig, während sie ihr Blatt sichtete.
»Aber wieso musste sie ihren Namen überhaupt ändern?«, überlegte Jeremiah laut.
»Musste sie gar nicht. Ich hab’s nicht getan. Ich heiße immer noch Laurel Dunne, wie am Tag meiner Geburt. Gut, oder?« Meine Mutter fühlte sich Susannah in diesem Punkt überlegen. »Wieso sollte eine Frau auch für ihren Mann ihren Namen ändern? Dafür gibt’s gar keinen Grund.«
»Laurel, hör jetzt auf«, sagte Susannah und warf ein paar Karten auf den Tisch. »Gin.«
Meine Mutter seufzte und warf ihre Karten ebenfalls auf den Tisch. »Ich hab keine Lust mehr auf Gin Rommé. Lass uns was anderes spielen. Quartett zum Beispiel, mit den Kindern.«
»Du bist eine miese Verliererin«, sagte Susannah.
»Mom, wir spielen gar nicht Quartett. Wir spielen Hearts, und du darfst nicht mitspielen, weil du immer mogelst«, sagte ich. Ich spielte mit Conrad als Partner, und ich war mir ziemlich sicher, dass wir gewinnen würden. Ich hatte ihn mir mit Absicht ausgesucht. Conrad gewann oft. Er war der schnellste Schwimmer, der beste Surfer, und bei Kartenspielen gewann er immer, aber wirklich immer.
Susannah klatschte in die Hände und lachte.
»Laur, dieses Mädchen ist wirklich eine Neuauflage von dir.«
»Nein«, widersprach meine Mutter, »Belly ist die Tochter ihres Vaters«, und beide tauschten diesen vielsagenden Blick aus, bei dem ich am liebsten »Was? Was?« sagen würde. Aber meine Mutter würde kein Wort sagen, das wusste ich. Sie war eine Geheimniskrämerin, immer schon. Und vermutlich sah ich meinem Vater wirklich sehr ähnlich: Ich hatte seine leicht schrägen Augen, seine Nase in einer Kleine-Mädchen-Variante, sein fliehendes Kinn. Von meiner Mutter hatte ich nur die Hände.
Dann war der Moment auch schon vorbei, und Susannah lächelte mich an. »Du hast absolut recht, Belly. Deine Mutter ist tatsächlich eine Moglerin. Bei Hearts hat sie immer schon gemogelt. Aber aus Moglern wird nichts, Kinder, merkt euch das.«
Susannah nannte uns immer »Kinder«, aber komischerweise machte es mir überhaupt nichts aus. Bei anderen würde mich das schon stören. Aber so wie Susannah es sagte, klang es nicht böse, nicht so, als wollte sie sagen, wir seien klein und kindisch. Bei ihr klang es einfach so, als wollte sie sagen, wir hätten unser ganzes Leben noch vor uns.
12
Mr. Fisher tauchte im Laufe des Sommers immer wieder mal auf, er kam hier und da an einem Wochenende, und die erste Augustwoche verbrachte er regelmäßig im Sommerhaus. Er war Banker, und wie er sagte, war es ihm schlicht unmöglich, sich über einen längeren Zeitraum freizunehmen. Ohnehin gefiel es uns besser, wenn er nicht da war. Wenn Mr. Fisher kam, stand ich immer ein bisschen gerader. Alle machten das. Außer Susannah und meiner Mutter natürlich. Das Komische war, dass meine Mutter Mr. Fisher genauso lange kannte wie Susannah – die drei hatten an demselben kleinen College studiert.
Susannah sagte mir immer wieder, ich solle »Adam« zu Mr. Fisher sagen, aber das wollte mir nicht über die Lippen. Es klang einfach verkehrt. Mr. Fisher , so klang es richtig, und deshalb blieb ich dabei, und Steven genauso. Ich glaube, irgendetwas an seiner Art brachte Menschen – und zwar nicht nur Kinder – dazu, ihn so zu nennen. Ich glaube, es war ihm lieber so.
Wenn er übers Wochenende kam, traf er stets freitagabends ein, und wir warteten mit dem Essen auf ihn. Susannah hatte dann schon seinen Lieblingsdrink vorbereitet, Bourbon mit Ginger Ale. Meine Mutter machte sich gerne über Susannah lustig, weil sie ihren Mann so bediente, aber Susannah kümmerte das nicht. Meine Mutter machte sich allerdings auch über Mr. Fisher lustig, und er sich seinerseits über sie. Vielleicht ist lustig machen nicht der richtige
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