Der Sommer, als ich schön wurde
an. »Halt die Klappe, Conrad.«
Conrad zuckte mit den Schultern. »Wieso denn? Du weißt selbst, dass es so ist. Und Belly ist genauso wenig überrascht, stimmt’s, Belly?«
Aber ich war überrascht, total. Ich sah beide Jungs an. »Mir kam es immer so vor, als wären sie so richtig verliebt ineinander.«
Was immer das sein mochte, Liebe – ich war mir sicher, dass die beiden sie gefunden hatten. Und nicht zu knapp. So wie sie sich über den Tisch hinweg in die Augen sahen. Oder wie Susannah sich freute, wenn er uns im Sommerhaus besuchte. Solche Leute ließen sich doch nicht scheiden! Leute wie meine Eltern, ja, aber nicht Susannah und Mr. Fisher.
»Sie waren ja auch verliebt«, antwortete Jeremiah. »Ich weiß selbst nicht, was passiert ist.«
»Dad dreht durch. Das ist passiert«, sagte Conrad und stand auf. Sein Tonfall war ganz sachlich, fast ein bisschen herablassend, aber so richtig überzeugend war er nicht. Schließlich wusste ich, wie sehr er seinen Dad bewunderte. Ich fragte mich, ob sein Vater wohl auch eine Freundin hatte, so wie meiner. Ob er Susannah betrogen hatte. Aber wem würde es je einfallen, Susannah zu betrügen? Ausgeschlossen.
»Sag deiner Mom bloß nicht, dass du davon weißt«, sagte Jeremiah plötzlich. »Unsere Mom weiß auch nicht, dass wir’s wissen.«
»Schon gut«, sagte ich. Wie hatten sie es wohl rausgefunden? Meine Eltern hatten sich mit Steven und mir an einen Tisch gesetzt und uns alles erklärt, in allen Einzelheiten.
Als Conrad draußen war, sagte Jeremiah zu mir: »Bevor wir herkamen, hat Dad schon wochenlang im Gästezimmer geschlafen. Er hat auch seine Kleidung schon größtenteils mitgenommen. Die müssen uns doch für zurückgeblieben halten, wenn sie glauben, wir hätten nichts mitgekriegt.« Bei diesem letzten Satz versagte ihm fast die Stimme.
Ich nahm seine Hand und drückte sie. Er litt wirklich. Conrad vermutlich auch, selbst wenn er sich nichts anmerken ließ. So langsam wurde mir einiges klar: die Art, wie Conrad sich verhalten hatte, so völlig ungewohnt, wie jemand, der nicht weiterweiß. Ganz untypisch. Er litt eben auch. Und natürlich Susannah. Die so viel Zeit im Bett verbrachte und so traurig wirkte. Sie quälte sich auch.
27
»Du verbringst neuerdings viel Zeit mit Cam«, sagte meine Mutter und sah mich über den Rand ihrer Zeitung hinweg an.
»Nicht wirklich«, sagte ich, obwohl sie natürlich recht hatte. Im Sommerhaus ging ein Tag in den anderen über, die Zeit verflog, und man merkte es kaum. Zwei Wochen waren Cam und ich andauernd zusammen, bevor es mir überhaupt richtig klar wurde: Er war mehr oder weniger mein Freund. Wir waren so gut wie jeden Tag zusammen gewesen. Ich konnte mich gar nicht mehr erinnern, was ich ohne ihn gemacht hatte. Mein Leben musste wirklich öde gewesen sein.
»Du bist kaum noch zu Hause, wir vermissen dich«, sagte meine Mutter. Wäre dieser Satz von Susannah gekommen, hätte ich mich geschmeichelt gefühlt, aber bei meiner Mutter ärgerte er mich einfach. Er hatte so was Vorwurfsvolles. Abgesehen davon – die beiden waren ja nun auch nicht gerade furchtbar viel zu Hause. Ständig waren sie unterwegs, nur Susannah und sie.
»Belly, magst du deinen jungen Mann vielleicht morgen Abend mal zum Essen mitbringen?«, fragte Susannah liebevoll.
Ich hätte gern Nein gesagt, aber Susannah etwas abzuschlagen schaffte ich einfach nicht. Schon gar nicht jetzt, wo sie mitten in ihrer Scheidung steckte. Stattdessen sagte ich also: »Ähm – mal sehen …«
»Ach bitte, Liebes. Ich würde ihn wirklich gern kennenlernen.«
Ich gab nach. »Na gut, ich werd ihn fragen. Aber ich kann’s nicht versprechen, vielleicht hat er ja schon was vor.«
Susannah nickte gelassen. »Hauptsache, du fragst ihn.«
Zu meinem Pech hatte Cam aber noch nichts vor.
Susannah machte das Essen, eine Gemüsepfanne mit Tofu, weil Cam Vegetarier war. Das war auch so etwas, was ich an ihm bewunderte, aber als ich den Blick sah, den Jeremiah mir zuwarf, wurde ich unsicher. Jeremiah briet abends Hamburger – wie sein Dad nutzte er jede Ausrede, um Fleisch auf den Grill zu legen. Er fragte mich, ob ich auch einen wollte, aber ich sagte Nein, obwohl ich gerne einen gehabt hätte.
Conrad hatte schon gegessen und spielte oben in seinem Zimmer Gitarre. Er hatte absolut keine Lust, mit uns zu essen. Einmal kam er runter, um sich eine Flasche Wasser zu holen, aber er begrüßte Cam nicht einmal.
»Wieso isst du eigentlich kein Fleisch, Cam?«, fragte
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