Der Sommer am Ende des Jahrhunderts: Roman (German Edition)
Einrichtungsgegenstände, an den Wänden Schatten von Bildern, die einst dort hingen. Nach dem Tod ihres Mannes hat sie alles weggegeben, um ihn zu vergessen. In meinem Zimmer gibt es ein Bett am Fenster, einen Nachttisch, einen Schrank mit Kleiderstange, an die ich meine Garderobe hängen kann, und zwei Fächern für die Pullover. Neben der Tür steht eine wurmzerfressene Kommode für die Unterwäsche. Viel besitze ich wirklich nicht. Aus Genua habe ich nur ein Taschenfernglas mitgenommen, das unserem Vater gehört hat, die Holzkiste, in der er die Schlüssel zum Arbeitszimmer aufbewahrt hat, ein Notizheft, einen Füller, eine Papiertüte mit Briefmarken, um nach Hause zu schreiben, Kohlestifte und einen Lederball, den mir Gabriele geschenkt hat. Ich stopfe so viel wie möglich in die Holzkiste, die ich ganz hinten zwischen den Socken in einer Kommodenschublade verstecke. Ich gehe zur Witwe und sage: »Es fehlen Bügel.«
Sie sitzt im Sessel und näht. Das Zimmer ist sehr dunkel, ich begreife nicht, wie sie da noch was erkennen kann. »Was für Bügel?«, fragt sie.
»Bügel für den Kleiderschrank.«
Sie nickt. »Morgen besorge ich dir welche.«
Es ist fast Zeit zum Mittagessen. Ich bin bei den Ramellas eingeladen. Bevor ich zu ihnen gehe, drehe ich eine kurze Runde durch den Ort. Ich schaue mich um, um ihn mir anzueignen, ihn in Besitz zu nehmen. Dort, wo die Stadtmauer endet und sich zu den Bergen hin öffnet, bleibe ich stehen. Die Ramellas sind nett. Wir essen gegrilltes Huhn, Gemüse und Apfelküchlein.
Als ich zur Witwe zurückkehre, ist sie nicht da. Ich gehe auf mein Zimmer und stelle fest, dass jemand meine Schubladen aufgezogen hat. Das sehe ich sofort, weil ich sie richtig schließe, wenn ich sie zumache. Ich fahre mit dem Finger darüber. Ich mag keine offenen Schubladen, denn in alles, was offen ist, dringt Staub ein. Ich mag es sauber und ordentlich. Ich schaue hinein. Alles ist noch da, aber es wurde eindeutig in meinen Sachen gewühlt. Ich setze mich in den Wohnzimmersessel und warte darauf, dass die Witwe zurückkommt.
Ich höre, wie sie die Tür aufschließt, und stehe auf. Sie kommt herein. »Es würde mir nie einfallen, in Ihren Schubladen zu wühlen, deshalb bitte ich Sie, das auch bei mir zu unterlassen. Das Geld, das ich Ihnen für das Zimmer zahle, beinhaltet auch meine Privatsphäre.«
»Ich kenne dich nicht«, sagt sie. »Signora Ramella hat mir zwar gute Referenzen gegeben, aber wer du wirklich bist, weiß ich nicht. Ich kontrolliere lieber gleich, damit ich weiß, mit wem ich die Wohnung teile. Aber in Zukunft kannst du unbesorgt sein. Von nun an werde ich das Zimmer nur zum Saubermachen betreten.«
Nachts schließe ich mich ein.
*
Von der Witwe bekomme ich nichts zu essen, weder zu Mittag noch zu Abend, nur Frühstück: Brot und warme Milch. In den ersten Tagen gebe ich mich mittags mit dem Brot zufrieden, das ich morgens einstecke. Doch dank der Fürsprache Signora Ramellas darf ich die Arbeiterkantine aufsuchen. Jeden Monat bekomme ich bunte Bons; jeder Bon entspricht einer Mahlzeit, und wenn sie weg sind, sind sie weg. Im ersten Monat kann ich nicht haushalten, sodass mir in der letzten Woche die Bons ausgehen: Ich esse nur die warme Suppe, die alle am Ende der Mahlzeit bekommen. Anschließend kann ich sie einteilen, zweimal bleiben sogar Bons über, und ich leiste mir eine richtige Mahlzeit, bestehend aus erstem und zweitem Gang samt Beilagen. An die warme Suppe gewöhne ich mich. Ohne sie bekomme ich Verdauungsprobleme.
Abends darf ich nicht in die Kantine, dann bleibt sie den Arbeitern der Nachtschicht vorbehalten. Anfangs bewirtet mich Signora Ramella. Dann stellt sie mir eine arme, einsame alte Frau vor, die für wenig Geld bereit ist, mir jeden Abend ein gekochtes Ei und Obst zu geben. Sie ist nett, redet aber unheimlich viel. Sobald ich mich setze, fängt sie an, von sich und ihrem Dorf zu erzählen, und jedes Mal zögert sie das Servieren des Obstes noch eine Weile hinaus, um mit mir plaudern zu können. Das stört mich weniger, aber sie hat eine sehr feuchte Aussprache, und als sie sich irgendwann angewöhnt, sich über Eck zu setzen, passiert es manchmal, dass sie mir in den Teller spuckt. Ich schütze das Ei mit der Hand, ihre Spucke landet auf meinen Fingern.
Eines Tages fragt sie mich, bevor ich gehe: »Liest du gerne?«
»Ja.«
»Ich habe ein Buch gefunden. Keine Ahnung, wer es vergessen hat. Hier!«
Sie reicht es mir, und ich nehme es. Ernest Hemingway,
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