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Der Sommer der Frauen

Der Sommer der Frauen

Titel: Der Sommer der Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mia March
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Kat, dir wollte ich es nicht sagen, solange wir vier nicht zusammen sind. Wir waren seit Jahren nicht mehr richtig zusammen. Eigentlich waren wir nie richtig zusammen, oder?»
    Zusammen.
Isabel wischte sich mit der Serviette über die Augen. Sie sah ihre Tante an. Sie war gerade mal zweiundfünfzig. Sie sah genauso aus wie immer, so stark, völlig sie selbst. Die blauen Augen funkelten, die Wangen waren rosig. Sie sah völlig gesund aus.
    Kat und June fingen an, Lolly mit Fragen zu bombardieren, doch sie hob die Hand, und die beiden verstummten.
    «Ich möchte euch um etwas bitten, Isabel und June», sagte Lolly und schnitt den Kuchen an. «Vielleicht könnt ihr beide ein bisschen hierbleiben, übers Wochenende oder noch die nächste Woche lang. Am Montag beginnt die Chemotherapie, und ich werde etwas Hilfe benötigen. Die Pension ist über das lange Labor-Day-Wochenende und danach fast den ganzen Herbst hindurch ausgebucht.»
    «Ich kann die ganze Woche bleiben und auch noch länger, wenn du willst», sagte Isabel. Damit hatte offensichtlich niemand gerechnet, denn alle starrten sie überrascht an.
    «Ich auch, Tante Lolly», sagte June.
    Lolly nickte. «Gut. Danke. O nein, da fällt mir wieder ein, die Diagnose hat mich offensichtlich so aus der Bahn geworfen, dass ich nicht richtig aufgepasst habe. Ich habe sämtliche Reservierungen für dieses Wochenende bestätigt, und für kommende Woche und natürlich für das Labor-Day-Wochenende, und jetzt habe ich für euch gar keine Unterbringungsmöglichkeit. Ich dachte, June und Charlie könnten vielleicht in Kats altes Zimmer unter dem Dach, und dir könnten wir ein Klappbett in die Alleinekammer stellen, falls dir das nicht zu eng ist, Isabel.»
    «Oder Isabel und June schlafen oben bei mir, dann kann Charlie mein altes Zimmer für sich allein haben», sagte Kat und klappte schnell den Mund wieder zu, als könnte sie selbst nicht glauben, dass sie gerade angeboten hatte, ihr Allerheiligstes ausgerechnet mit ihren Cousinen zu teilen.
    «Bist du dir sicher?», fragte June. «Charlie hat einen ziemlich leichten Schlaf, es wäre toll, wenn er sein eigenes Zimmer kriegen könnte.»
    «Mir macht es nichts aus», sagte Kat. «Einverstanden, Isabel?»
    Wieder starrten alle sie an. Offensichtlich erwarteten sie von ihr nichts anderes als
Nein, auf keinen Fall, ich bin definitiv nicht einverstanden
. Aber Isabel nickte, obwohl sie keine Ahnung hatte, ob es wirklich okay für sie sein würde. Doch die Vorstellung, nicht mit ihren Gedanken allein in einem Zimmer sein zu müssen, hatte etwas Tröstliches.
    «Gut, dann wäre das geklärt», sagte Lolly. «Ach, und heute Abend um neun treffen Pearl und ich uns mit den Hausgästen zum Kinoabend. Bei uns ist gerade Meryl-Streep-Monat. Vielleicht kommt ihr drei ja auch mit dazu, das würde mich sehr freuen. Wir sehen uns einen meiner Lieblingsfilme an,
Die Brücken am Fluss
. Ein Film, der mich richtig ablenkt, ist jetzt genau das, was ich brauche.»
    Rund um den Tisch wurde einmütig genickt. «Natürlich bleiben wir hier», murmelten sie, und: «Klar sind wir heute beim Kinoabend dabei. Ganz wie du willst.»
    Aus dem Augenwinkel sah Isabel, wie Junes Hand sich zögerlich auf ihre zubewegte, doch sie merkte es zu spät, und June machte einen Rückzieher. Isabel schloss die Augen und dachte an das letzte Mal, als sie Junes Hand gehalten hatte. An dem Tag, als Lolly die drei Mädchen ähnlich wie heute zusammengerufen und ihnen von dem Autounfall berichtet hatte. Da hatte Isabel die Hand ihrer Schwester ergriffen, und sie hatten eine Ewigkeit so dagesessen, eine die Hand der anderen umklammernd, stumm, während ihnen die Tränen über die Gesichter liefen. Und dann hatte Kat laut angefangen zu schreien und war zur Tür hinausgerannt. Seit jenem Tag war Lolly alles, was sie drei hatten.
    Und jetzt war sie vielleicht auch bald nicht mehr da.
    *****
    Isabel stand mit einem Stapel Schüsseln hinter Kat, die am Herd den großen Popcorntopf schüttelte. Lolly hielt nichts von Popcorn aus der Tüte, das man in der Mikrowelle machte. Für den Kinoabend war nur das Beste gut genug: heißes Öl, Maiskörner vom Markt, geschicktes Rütteln und eine großzügige Prise Salz.
    Verzweifelt klammerte Isabel sich an Kleinigkeiten, suchte in Lollys riesiger Speisekammer das richtige Popcornöl – nur Rapsöl – und half Kat mit den Cremehauben für die Cupcakes, während June Charlie ins Bett brachte. Nur die pure Konzentration auf all das, darauf,

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