Der Sommer der Frauen
Hand, als wollte sie die Wärme dieses Augenblicks, die seltene Nähe zwischen ihnen, festhalten. Aber dann rief Kat nach ihr, und Lolly ging zur Tür. June warf einen letzten Blick auf ihre blutjunge Tante mit dem Siebziger-Haarschnitt an der Wand. Die Menschen durchlebten so viele verschiedene Lebensphasen.
«Bitte lass das nur eine Phase sein», flüsterte June. Die Krebsphase.
Weißt du noch, damals, als Lolly wegen Krebs behandelt wurde?
, würde sie in ein paar Jahren zu Isabel sagen, während Lolly ihnen ihr wie immer sagenhaftes Thanksgiving-Mahl servierte. Und Isabel würde antworten,
ich hätte damals nicht gedacht, dass wir das überstehen
, und dann würden sie sich dafür bedanken, dass sie einander hatten, wie die Familien in den Fernsehserien und im Kino es immer taten.
Isabel, Kat und Pearl saßen gemeinsam mit zwei Hausgästen im Aufenthaltsraum versammelt, zwei älteren, verwitweten Schwägerinnen, die Lolly als Frances Mayweather und Lena Haywood vorstellte. Die beiden waren ganz aus dem Häuschen angesichts des verwegenen Schwungs der Cremehaube auf Kats Cupcakes.
June nahm sich einen Schoko-Cupcake mit weißer Haube, schenkte sich ein Glas Eistee ein und machte es sich neben Isabel auf dem Zweisitzer bequem. Es war inzwischen ihr Platz geworden, stellte June plötzlich fest. Sie war sich nicht sicher, ob sie in der Pension je zuvor einen eigenen «Platz» gehabt hatte. Noch dazu einen, den sie sich mit ihrer Schwester teilte.
«Alle bereit?» Lolly schob die Disc in den DVD -Spieler und setzte sich neben Pearl aufs Sofa, die Fernbedienung im Anschlag.
Kat stand auf und schaltete das Licht aus. «Ja, so wie’s aussieht, sind alle bereit.»
«Wo spielt der Film noch mal? Italien? Griechenland?», fragte Pearl, als die Eröffnungssequenz das herrlich blaue Meer und die weiße Villa auf dem Felsen über dem Strand zeigte.
«Griechenland», antwortete Lolly und legte sich eine Handvoll Popcorn auf einer Serviette in den Schoß. «Noch etwas, was ich an Filmen so toll finde – man kann die ganze Welt bereisen, ohne sein Wohnzimmer zu verlassen.»
«Moment mal – Meryl Streep kann singen?», fragte June angesichts der Szene, in der Meryl einen starken, witzigen Song herausträllert, in dem es um ihre Geldsorgen geht, und dabei durch die Villa tanzt. «Das kann doch gar nicht sein! Wie viel Talent steckt denn noch in dieser Frau?»
«Das erinnert mich daran, dass wir uns unbedingt
Grüße aus Hollywood
ansehen müssen», sagte Lolly. «Da singt sie am Ende des Films auch, und zwar so gut, dass ich sehr lange der Meinung war, das Lied hätte eine berühmte Country-Sängerin gesungen.»
«Warte erst mal, bis du Pierce Brosnan hörst», sagte Kat prustend. «Es ist zwar schon eine Weile her, seit ich diesen Film gesehen habe, aber ich weiß noch genau, dass ich dachte, er klingt wie unter Wasser.»
Lolly hatte nicht zu viel versprochen. Der Film war absolut erheiternd. Wie hatte June den nur verpassen können? Ach ja. Einen Babysitter zu organisieren, nur um ins Kino zu gehen, obwohl ein Kinobesuch inzwischen ein Vermögen kostete, hieß, dass sie warten musste, bis die Filme, die sie sehen wollte, im Fernsehen ausgestrahlt wurden.
Sie war überrascht, als sich herausstellte, dass Meryl Streep selbst nicht mit Gewissheit sagen konnte, welcher der drei Männer, die ihre Tochter heimlich zu ihrer Hochzeit eingeladen hatte, nun eigentlich der Vater ist. Sie hatte ihren Freundinnen und ihrer Familie nie etwas Genaues gesagt, denn nachdem Pierce Brosnan ihr das Herz gebrochen hatte, hatte sie sich mit einem anderen getröstet – und danach mit noch einem.
«Drei Liebhaber in einer Woche!», murmelte eine der beiden älteren Damen und schüttelte missbilligend den Kopf.
June und Isabel grinsten sich an. Doch June konzentrierte sich eher auf die Beziehung zwischen Meryl Streep und der bildhübschen Amanda Seyfried als ihre Tochter, mit einer zu ihrem Engelsgesicht passenden Stimme. Amanda ist zwar ohne Vater aufgewachsen, aber sie wirkt trotzdem glücklich und zufrieden und hat einen wunderbaren jungen Mann zum Heiraten gefunden. Es war zwar nur ein Film, aber es machte June trotzdem froh. Charlie würde auch glücklich und zufrieden sein und eine wunderbare junge Frau zum Heiraten finden. Auch wenn man in Junes Augen mit zwanzig wirklich noch zu jung zum Heiraten war.
Pierce Brosnan, einer der potenziellen Väter und in Junes Augen einer der bestaussehenden Männer seiner Altersklasse, fragt
Weitere Kostenlose Bücher