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Der Sommer der Gaukler

Der Sommer der Gaukler

Titel: Der Sommer der Gaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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Tagen würden Kolbers Forderungen seine Barschaft überstiegen haben. Mit anderen Worten: Jeder weitere Tag wäre bereits Betrug. Und wie es aussah, gab es keinerlei Gewissheit, dass sich die Theaterkommission bei der Erteilung der Permission seinetwegen abhetzen wollte. Im Gegenteil. Die fahrende Komödi-Bagage sollte vermutlich wieder einmal zu spüren bekommen, wie wenig die so fürchterlich gesitteten und erzfrommen Salzburger von ihr hielten.
    Sollte er mit dem Wirt sprechen, ihm seine Lage offenlegen? Vielleicht ließe sich Kolber auf einen Schuldschein ein? Vielleicht entpuppte er sich gar als kulturliebender Mäzen?
    Kurz nach seiner Ankunft hatte Schikaneder ein zwangloses Gespräch mit ihm geführt. Kolber hatte sich erkundigt, was die Compagnie so spiele. Ob er schon von Shakespeare gehört habe, hatte der Prinzipal bei dieser Gelegenheit wissen wollen.
    Kolber hatte sich den Namen wiederholen lassen und angestrengt nachgedacht. Schließlich ging ihm ein Licht auf: Aber natürlich habe er bereits davon gehört. Bei diesem ›Schejks Bier‹ handele es sich doch um diesen böhmischen Braumeister, von dessen Getränk man in der Stadt schwärme, stimmts?
    Auch sonst waren beim Kolber keine Hinweise auf eine schwelende Leidenschaft für die Kunst festzustellen gewesen. An Musik genügte ihm vermutlich, wenn die Gulden in seinem Geldsack klimperten, und sein theatralisches Bedürfnis war vollends gestillt, wenn er selbst die Rolle des herzlichen Gastgebers und der jovialen Wirtsperson geben konnte.
    Das Wort ›Mäzen‹ krallte sich in Schikaneders Gedanken fest. Im gleichen Moment erinnerte er sich an eine Beobachtung, dieer kurz zuvor gemacht hatte, als er, vom Eberbachfall kommend, den Dorfplatz überquerte. Wieder war diese mysteriöse, dunkel lackierte Kutsche mit den verhangenen Fenstern, die er schon gestern gesehen hatte, eilig an ihm vorübergefahren. Schikaneder hatte notiert, dass sich die Leute bei ihrem Anblick etwas zutuschelten, und er hatte eine gebückte Alte angesprochen.
    Er erhielt einen misstrauischen Blick. Schließlich wies die Frau mit einer unwilligen Kopfbewegung nach Süden: Das sei die Chaise vom Herrn Baron gewesen.
    Schikaneders Augen waren ihrer Geste gefolgt. Auf einer Anhöhe am Fuß des Kogelbergs war der weiße Würfel eines kleinen Schlosses zu erkennen.

7
    K rister war ein hübscher Kerl mit aufgeweckten, dunklen Augen und pechschwarzen Haaren, die er im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte. Er war noch keine zwanzig, war wie alle wintergeborenen Bergler-Kinder eher schmächtig gebaut, dafür umso zäher.
    Ein kaiserlicher Hilfsjäger hatte Vesters ältere Schwester geschwängert. Von einer Heirat mit einer unterklassigen Sennmagd wollte der Beamte jedoch nichts wissen, und er scheute nicht davor zurück, die Arme mit allerlei Verleumdungen zu überziehen. Das jedoch brachte ihm die Verachtung des Dorfes sowie eine Tracht Prügel seines Quasischwagers Vester ein, woraufhin er sich aus dem Staub machte. Dann erbarmte sich ein gutmütiger Holzknecht der jungen Frau. Wie ein Wilder schuftete er, um das Heiratsgeld aufzutreiben. An einem Dezembertag ließ er vor Erschöpfung alle Vorsicht außer Acht und wurde von einem umstürzenden Baum begraben. Von Gram und Hunger geschwächt, folgte ihm bald auch die junge Mutter ins Grab.
    Keiner der reichen Bauern in der Gemeinde riss sich darum, dieses Sündenkind aufzunehmen. Man erinnerte sich daran, dass es da noch einen Bruder der Verstorbenen geben musste, der in einer Bleigrube bei Telfs als Bergmann arbeitete.
    Vester, damals erst Anfang Zwanzig, konnte immerhin eine beheizbare Kammer sein Eigen nennen sowie mit einem regelmäßigen Lohn rechnen. Man stellte ihm den weinenden Sechsjährigen in seine winzige Stube, wischte ihm gerade noch denRotz unter der Nase ab, zog nicht einmal den Hut und ließ die beiden verdattert zurück.
    Es dauerte jedoch nicht lange, bis Vester sich in seine neue Rolle gefügt hatte. Hinzu kam, dass sich der kleine Krister als geschickt erwies und seinem Onkel eifrig zur Hand ging. Vester fand Gefallen an dem aufgeweckten Jungen; er erinnerte ihn an seine Jugend und an seine Schwester, an der er sehr gehangen hatte. Wenn der Kleine wieder einmal lachend unter seinen Schlägen wegtauchte, verrauchte sein Ärger schnell. Sein Leben, das zuvor eintönig gewesen war und nur aus Arbeit und spärlichen Vergnügungen bestanden hatte, bekam jetzt ein wenig Sinn. Als der Junge zwölf Jahre alt war,

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