Der Sommer der Gaukler
du Lumpenhund!«, kreischte der Kolber.
Der Soldat zerrte den Delinquenten auf den Wagen und nahm neben ihm Platz. Dann gab er den Befehl zur Abfahrt.
»Halunk! Spitzbub!«, brüllte der Kolber hinterher. Er reckte noch einmal drohend die Faust. Dann stapfte er in das Gasthaus zurück. Das Tor fiel krachend ins Schloss.
Schikaneder schloss hastig das Fenster. Seine Hände zitterten. Eleonore hob träge den Kopf aus dem Kissen. Ihre halbgeöffneten Augen schimmerten.
»So komm doch«, lockte sie.
»Jetzt nicht«, sagte Schikaneder. Seine Kehle war eng geworden. Er räusperte sich und fügte geschmerzt hinzu: »Der Wein gestern... irgendwas war mit dem nicht in Ordnung.«
Eleonore war mit einem Mal hellwach. Forschend sah sie ihn an.
»Du lügst«, sagte sie. »Was ist da draußen los gewesen?« »Nichts, was uns was angeht.«
»Also gehts uns was an. Heraus damit.«
Flucht, dachte Schikaneder. Flucht, auf der Stelle.
12
A us der Küche war bereits das Klappern der emsigen Sali zu hören, als Babett zwei Briefe brachte. Der erste trug das Siegel des Salzburger Hofrates: Herr Schikaneder möge versichert sein, dass sein Begehren in Prozess sei, er möge sich gedulden. Weitere dringliche Briefe seien weder vonnöten noch dienlich.
Der zweite war nicht wesentlich länger: Freiherr Viktor von Playen würde es sich als außerordentliche Ehre zurechnen, wenn er Monsieur le directeur baldmöglichst als Gast auf Schloss Playen begrüßen dürfe. Wenn es der Zeitplan von Monsieur le directeur erlaube, schon heute. Der Wirt ließ nicht erkennen, ob ihn der Name des Barons, wie auch die Tatsache, dass Schikaneder auf das Schloss eingeladen war, besonders beeindruckt hatte. Er wirkte vielmehr ein wenig reserviert, besann sich aber schließlich doch auf seine Gastgeberpflicht und stellte seinen Einspänner zur Verfügung. Sein Knecht Gidi würde den Weg kennen. Für die Heimfahrt würde gewiss der Herr Baron sorgen.
Schon auf der Schwelle stehend, erkundigte sich Schikaneder in beiläufigem Ton nach den Neuigkeiten. Er hätte heute Morgen den Eindruck gewonnen, als hätte der Wirt Ärger gehabt. Kolber winkte ab. Ein kleiner Betrüger, nichts weiter. Das passiere hin und wieder. Trotzdem sei er nicht gewillt, diese Dinge hinzunehmen, wo käme man da hin. Dem Spitzbuben würde vor dem Landgericht der Prozess gemacht. Glücklicherweise sei der Herr Landrichter jemand, gegen den der hiesige Bergrichter geradezu gütig zu nennen sei. Würde dem Angeklagten nachzuweisensein, schon mehrere dieser Betrügereien auf dem Kerbholz zu haben, so warte der Strick auf ihn. Erst vor guten zwei Monaten sei ein Betrüger aus Ötting, dem auch noch Bigamie vorgeworfen wurde, öffentlich gehenkt worden. Er, der Kolber, habe sich die Sache interessehalber auch angesehen. Wie jedesmal sei es ein beeindruckendes Schauspiel gewesen. Der Verurteilte jedoch habe sich sehr unwürdig benommen und den ganzen Weg zum Schafott um Gnade gewinselt.
Schikaneder hatte es plötzlich eilig. Er müsse sich noch umziehen. Die Abende würden bereits empfindlich kühl werden.
Während der Fahrt zum Schloss war der Hausknecht Gidi zunächst noch zurückhaltend. Erst nach einer Weile taute er ein wenig auf. Nein, über den Herrn Baron könne er nicht viel erzählen. Dieser ließe sich so gut wie nie im Ort sehen. Ob er sich zu nobel dafür sei, wisse er nicht, hohe Herren seien vermutlich nun einmal so. Die Bediensteten des Herrn Baron kenne er ebensowenig, sie kämen sämtlich von außerhalb. Gelegentlich nähme er hiesige Handwerkerdienste in Anspruch, aber auch diese Kontakte wickle ein Angestellter ab. Man erzähle sich, dass die Familie vor Generationen sehr einflussreich gewesen war, sich irgendein Vorfahr des heutigen Barons aber wohl einmal mit der Obrigkeit angelegt oder mit der Lutherei geliebäugelt hatte, was die Familie nahezu ruiniert habe. Vom Schmied, der vor einigen Jahren die Dachtraufen des Schlosses erneuert hatte, wisse er jedoch, dass immer noch ausreichend Geld für einen herrschaftlichen Haushalt zur Verfügung stehe. Der Herr Baron bezahle seine Dienste jedenfalls stets prompt. Hin und wieder würden wohl Feste gegeben, zu denen Besucher von weither anreisten.
Die Kutsche folgte der in leichter Neigung ansteigenden Straße zum Jochenpass, bog am Ende des Tales jedoch ins südliche Oberland ab, querte mehrere Hochrodungen und tauchte schließlich in den Hochwald ein. Nach einigen Windungen erreichten sie eine kleine Anhöhe
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