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Der Sommer der Gaukler

Der Sommer der Gaukler

Titel: Der Sommer der Gaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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gebraten und gebacken zu, variierte die Beilagen, servierte die Kartoffeln einmal gekocht, ein andermal geraspelt oder gestampft, untermischte den Weißkohl mit Speck, dann wieder mit angebräunten Steinpilzen. Zu den Mehlspeisen zauberte sie ein köstliches Apfelkompott, an Sonntagen tischte sie gar Erdbeermus auf.
    Die Abendmahlzeiten gingen jedes Mal in ein ausgelassenes Fest über. Die Musiker packten ihre Instrumente aus, und bald jagte alles in ausgelassener Quadrille oder im Contredanse durch das Salett. Lieder ertönten, Dramen wurden parodiert, die Spielweise einzelner Ensemblemitglieder bespöttelt. Einmalhatte sich der schüchterne Lehrer der Dorfschule dazugesellt, seine Geige ausgepackt und begeistert mitmusiziert. Am nächsten Tag jedoch war er den Schauspielern mit merkwürdig betretenem Lächeln ausgewichen. Der daraufhin befragte Kolber deutete an, dass es der Herr Richter wohl nicht gerne sähe, dass sein Lehrer in – äh, äh – diesen Kreisen verkehre. Eine ähnlich scheue Distanz pflegten auch die anderen Dörfler. Keiner hatte bisher erkennen lassen, dass ihn die lauten nächtlichen Vergnügungen störten, obwohl ihnen selbst jegliches Tanzvergnügen – von wenigen Tagen abgesehen – streng verboten war. Mit anderen Gästen gab es ebenfalls wenig Probleme. Der Wirt hatte der Schikanederischen Gesellschaft in weiser Voraussicht das geräumige Salett zugewiesen. Die Einheimischen hielten sich seit je in der alten Wirtsstube auf, doch auch sie war an den Wochentagen meist gähnend leer.
    So war es auch in der vergangenen Nacht wieder sehr spät geworden. Eine kleine Abwechslung hatte es gegeben: Am Nachmittag hatte sich ein junger Reisender eingefunden. Zwar war er etwas schäbig gekleidet, doch er verfügte über gewandte Manieren und einen reichen Vorrat an unterhaltsamen Geschichten. Nachdem er in der Wirtsstube gespeist, und die Köchin in den höchsten Tönen gelobt hatte, war er gerne der Einladung der Komödianten gefolgt. Ausgelassen sang, lachte und tanzte er mit, bis auch die Letzten auf ihre Lager fielen.
    Der Weinkeller des Wirts schien unerschöpflich. Er enthielt nicht gerade die Krone der Kelterkunst; der Wein war eher gewöhnungsbedürftig erdig, aber dafür süffig – zu süffig für manche. Auch für den Prinzipal.
    Emanuel Schikaneder erwachte deshalb an diesem Morgen spät. Und er hätte noch weiter geschlafen, hätte ihn nicht ein ungewohnter Lärm auf dem Dorfplatz geweckt. Er wälzte sich aus dem Bett, blieb eine Weile auf der Bettkante sitzen und ließ das taube Summen in seinen Adern abklingen. Er rieb sich die Augen, streckte sich, wankte zum Fenster und öffnete es. Obwohl der Himmel noch vom Morgennebel verschleiert war,blendete ihn das Tageslicht. Er schloss die Augen. Ein frischer Wind kühlte sein Gesicht.
    Er sah nach unten. Was war es, das ihn aufgeweckt hatte? Oder hatte er das laute Geschrei vor dem Fenster nur geträumt? Er blinzelte. Niemand war auf dem Platz.
    Er lehnte sich aus dem Fenster und sah zur Seite. Vor dem Richterhaus stand ein offener Einspänner. Neben dem Pferd zwirbelte ein Soldat gelangweilt an seinem Schnauzbart. Das Tor des Richterhauses war verschlossen.
    Er rieb sich den Nacken. Er war einer Einbildung erlegen. Der verfluchte Wein...
    »Gutmorgen, Schani«, hörte er eine schlaftrunkene Stimme in seinem Rücken.
    »Dein Gatte heißt Emanuel!«, brummte er, ohne sich umzudrehen.
    »Ist mir zu lang... so früh am Tag... komm her zu mir«, säuselte Eleonore.
    Schikaneder antwortete nicht mehr. Das Tor des Richterhauses schwang zurück. Ein zweiter Soldat trat ins Freie. An einer Kette führte er den jungen Reisenden, der mit ihnen in der vergangenen Nacht so vergnügt gefeiert hatte, nun aber gar nicht mehr fröhlich wirkte. Mit hängendem Kopf stolperte er hinter seinem Bewacher her.
    Hinter ihm erschien der Wirt. Sein Gesicht war feuerrot. »Fressen und Saufen bei mir, und dann abhauen wollen!«,
    brüllte er. »Aber nicht beim Kolber! Du Malefizer, du elendiger!« Er trat ihm in den Rücken, setzte nach und prügelte mit den
    Fäusten auf ihn ein.
    »Und dann tut er noch wie ein Studierter! Wie ein weiß was Nobler! Ha! Das sind mir die Rechten! Die sind die größten Lumpen!«
    Vergeblich versuchte der junge Mann, den Tritten und Schlägen des Wirts auszuweichen. Er geriet ins Torkeln. Der Soldat machte keine Anstalten, den Wirt in seine Schranken zu weisen. Mit einem Ruck riss er den jungen Mann vorwärts.»Du gehörst aufgehängt,

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