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Der Sommer der Gaukler

Der Sommer der Gaukler

Titel: Der Sommer der Gaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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begeistert. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sah zur Decke. Wie wäre dieser Einsturz technisch zu bewerkstelligen? Rauch, Explosion, Flammen und dergleichen waren für Theatermeister Millner kein Problem. Aber der Feuerschein war meist zu mickrig – ob er mit beweglichen Spiegeln noch verstärkt werden konnte? Und wie wären herabstürzendeFelsquader zu markieren, ohne dass die Schauspieler zu Schaden kämen? Er müsste darüber so bald wie möglich mit Millner reden.
    Aber natürlich war es mit diesen Bildern noch nicht getan. Die Menschen – was hatten sie dabei zu tun? Wie könnte ein Drama aussehen? Vielleicht so: Er nähme einen Bergknappen... einen hartherzigen Grubenbesitzer, kann durchaus noch einmal ein Adeliger sein... eine die Herzen rührende Liebhaberin... –
    Schikaneder tunkte gerade seine Feder in das Tintenfass, als es klopfte.
    Augenblicklich krampften seine Eingeweide. War es der Wirt?! Bei der Ankunft hatte ihm Schikaneder eine Anzahlung gegeben; der Rest sollte bei der Abreise beglichen werden. Damals war aber nur die Rede von zwei, höchstens drei Tagen gewesen. Wollte er jetzt die bisher aufgelaufenen Kosten eintreiben?
    Aus dem Federkiel löste sich ein Tropfen und fiel auf die Tischplatte. Der Prinzipal hielt die Luft an.
    Es klopfte wieder. Sehr zart. Schikaneder atmete aus. Nie würden die Pranken des Wirts derart schüchtern an die Tür schlagen.
    »Entrez«, rief Schikaneder über die Schulter. Die Tür schwang zurück.
    »Bitt den gnä’ Herrn um Vergebung«, sagte Babett, und dabei knickste sie leicht. »Ists recht, wann ich schnell Menasch mach?«
    Schikaneder nickte ihr zerstreut zu und wandte sich wieder dem Schreibtisch zu. Kaum hatte er die ersten Striche aufs Papier gebracht, bemerkte er, dass ihn etwas ablenkte. Aus den Augenwinkeln beobachtete er die Hausmagd, wie sie die Bettdecken aufschüttelte. Sie drehte ihm den Rücken zu.
    Babetts Bewegungen waren leicht und mühelos. Er hörte Babetts gleichmäßigen Atem; sie arbeitete ruhig, konzentriert, sorgfältig. Er konnte seinen Blick nicht mehr von ihrer stolzen Nackenlinie lassen, von der Choreografie ihrer Rückenmuskulatur,der federnden Koordination von Handbewegungen, Hüftstellung und Schritten, dem Wippen der Fersen und dem Auf- und Ab des Rocksaumes über ihren milchweißen Waden. Dann und wann erhaschte er einen Blick auf ihr Profil. Warum war ihm die Schönheit dieses Mädchens nie zuvor aufgefallen?
    »Haben der gnä’ Herr gut geschlafen?«, fragte Babett über die Schulter, ihre Arbeit nicht unterbrechend.
    »Wie ein Ross«, antwortete Schikaneder. »Herrlich.« Sie nickte zufrieden.
    »Ihre... der Aufenthalt in Ihrer schönen Heimat ist äußerst inspirierend, Madmoisell Babett.«
    Sie warf ihm einen freundlich tadelnden Blick zu.
    »Der gnä’ Herr möchten mich tratzen, gelt? Mit so Wörter, wo ich net versteh.«
    »Pardon!«, rief Schikaneder. »Tratzen? – Niemals!« Sie winkte lächelnd ab.
    »Aber es macht nichts. Was einen Taug hat, versteh ich schon. Und ums andere wirds net schad sein.«
    »Inspirierend, das bedeutet anregend«, erklärte Schikaneder onkelhaft. Er machte einen Schritt auf sie zu, nahm ihr den Flederwisch ab und ergriff ihre Hände. Er fühlte die Wärme ihres Körpers.
    »Sie ist ein hübsches Kind, Madmoisell Babett.«
    Sie bedachte ihn mit einem amüsierten Blick und machte sich frei.
    »Weiß ich. Dass es Gräuslichere gibt wie mich.«
    Sie fuhr fort, die Kommode abzuwischen.
    »Und sie ist so wunderbar bescheiden«, setzte Schikaneder nach.
    Ihr Rocksaum streifte sein Schienbein, als sie sich zu ihm drehte. Sie legte die Hände auf ihre Hüften, warf den Kopf zurück und sah ihn von unten an. Ein Lächeln spielte um ihre Lippen.
    Schikaneder verstand. Er kannte dieses Lächeln. Es war das Lächeln gebundener Frauen. Seine Botschaft war: Du könntestmir gefallen, mein Lieber. Aber unglücklicherweise bin ich bereits glücklich.
    Charmant lenkte er ein: »Pardon. Es ist die Natur. Man ist nur Opfer.«
    Sie musste lachen. So sah er aus.
    »Der gnä’ Herr brauchen mich net um einen Pardon zu fragen.«
    »Aber ich wollte Sie keinesfalls insultieren!«, beteuerte er. Sie kniete sich vor das Bett, fischte das Potchambre hervor, warf einen Blick hinein und ging zum Fenster.
    »Und schon wieder tratzt er mich.«
    »Ich – ich wollte Sie nicht beleidigen, meinte ich.«
    Sie kippte die Brühe aus dem Fenster.
    »Aber das tun der gnä’ Herr doch gar net«, sagte sie heiter.

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