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Der Sommer der Gaukler

Der Sommer der Gaukler

Titel: Der Sommer der Gaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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sie leise.
    »Ich hab einen reichen Bauern erschlagen und ausgeraubt«,
    gab er ebenso leise zurück. »Aber erzähls nicht weiter, gelt?« Sie packte ihn an der Weste. Ihre Nasenflügel bebten.
    »Es ist ein Vorschuss«, raunte Schikaneder. »Wir sind erst
    einmal gerettet.«
    »Und für was?«
    Schikaneder drehte sich um, griff nach zwei Gläsern und schlug sie klingend aneinander.
    »Ich bitte für einen Augenblick um Ihre geschätzte Aufmerksamkeit! Meine Damen, meine Herren, meine mir trotz mancher Schicksalsstürme stets so treu ergebenen Mitglieder der Schikanederischen Schau- und Operngesellschaft! Ich darf Ihnen eine unvorhergesehene Änderung des Proben- und Spielplanes verkünden, bei welcher ich selbstverständlich mit Ihrer Zustimmung rechne. Der gnädige Herr Baron von Playen gibt sich die Ehre, die Schikanederische Schau- und Operngesellschaft demnächst zu einer Soirée auf seinem Schlosse willkommen zu heißen! Das Programm wird morgen bekannt gegeben!«Beifall brandete auf. Schikaneder sank in den Stuhl, ließ sich einschenken und nahm einen tiefen Zug. Er fühlte, dass die dunklen Augen seiner Frau bewundernd an ihm hafteten. Eleonore neigte sich an sein Ohr.
    »Wann schmeißen wir den Wallerschenk raus? Gleich morgen in der Früh?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ich brauch ihn erstens noch bei der ›Minna‹. An Lessing hat der Baron einen Narren gefressen. Zweitens würd er dann seinen Monatsanteil verlangen, den ich aber nicht hab. Und drittens wird er in den nächsten Tagen so handsam sein, dass du ihn nicht mehr wiedererkennst.«

18
    B abett?«
    Als der Kolber an Babetts Kammertür klopfte und ihren Namen rief, erhielt er keine Antwort. Er stemmte sich gegen die Tür. Der Riegel gab leicht nach. Obwohl das Fenster geöffnet war, hing ihr Duft noch in der Kammer. Das Bett war unbenutzt.
    Er ballte die Fäuste. Er hatte es geahnt: Sie hatte einen anderen. Und den musste sie so sehr lieben, dass sie das Risiko einer mehr als empfindlichen Strafe auf sich nahm, die jedem und jeder Unverheirateten drohte, der nach Einbruch der Dunkelheit noch auf der Straße gesichtet wurde.
    Während er darüber nachgrübelte, wer dieser Nebenbuhler sein konnte, und was ihn vor ihn, den Kolber, auszeichnen konnte, kam ihm plötzlich eine Idee. Je mehr er über sie nachdachte, umso besser gefiel sie ihm.
    »Na wart, du Hurenfetzen«, murmelte er.
    Babett eilte währenddessen katzengleich den Pfad zur alten Kapelle hinauf. Sie musste sich auf den Weg konzentrieren, der sich vor ihr durch den Bergwald schlängelte, vom Mondlicht silbrig markiert. Sie hätte ihn mit geschlossenen Augen gehen können, kannte jede gefährliche Stelle über der sich von Schritt zu Schritt vertiefenden Bachschlucht, an der ein unbedachter Schritt den sicheren Tod bedeutete.
    Sie fühlte sich leicht, fast gewichtlos. Der Boden unter ihren Sohlen war weich und elastisch, nur dann und wann knirschte feines Geröll, tappten ihre Schritte auf festen Fels. Dann dehntesich eine weite Lichtung vor ihr. Im Mondlicht blinkte ein kleiner Gebirgssee, und über dessen Ufer glomm das Gemäuer der alten Knappenkapelle aus dem Wald.
    Babett blieb stehen und sammelte sich. Jetzt, wo sie selbst keine Geräusche mehr verursachte, hüllte sie eine machtvolle Stille ein. Sie schloss die Augen und kostete die klare Luft.
    Dann hörte sie das leise Brummen. Sie erstarrte augenblicklich. Über dem scharfen Riss einer Geländerippe zeichnete sich die Silhouette eines riesigen Bären ab. Er stand aufrecht und unbewegt, keine dreißig Schritte von ihr entfernt. Langsam wandte er den Kopf. Wieder ließ er ein leises Brummen ertönen.
    Sie atmete flach. Sie wusste, dass der Bär längst ihre Witterung aufgenommen hatte. Doch noch immer bewegte er sich nicht. Und mit einem Mal klang ihr sein Brummen, als wollte er ihr etwas mitteilen. Alle Angst fiel von ihr ab, und ihre Gedanken antworteten ihm.
    Was, würde sie sich nie genau erklären können. Vielleicht wollte er sagen, dass es reichlich ungewöhnlich sei, zu dieser Stunde jemanden im Wald anzutreffen, was ihm aber nichts ausmache, weil er sich hier heroben eh ein wenig langweile. Vielleicht antwortete sie darauf, dass es im Tal auch nicht viel angenehmer sei, und sie sich manchmal danach sehne, wie er zu leben. Vielleicht gab er daraufhin zurück, dass er das gut verstehen könne, denn auch er halte die Menschen für eine reichlich unangenehme Bagage, der er lieber aus dem Weg ginge. So plauderten sie eine Weile

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