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Der Sommer der Gaukler

Der Sommer der Gaukler

Titel: Der Sommer der Gaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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sein Zuhause war. Hatte es ihn früher, als er jung und unerfahren war, noch empört, wenn die Privilegien des Adels inFrage gestellt wurden, so war schließlich immer deutlicher in sein Bewusstsein gesickert, dass es in dieser Welt längst neue Herren gab. Der Besitzer einer modernen Manufaktur, der mit Übersee Handel treibende Geschäftsmann – sie alle waren bereits reicher als so mancher Landedelmann. Mochte jener sich noch in den Ehrbezeugungen seiner Untertanen sonnen – was er an Zehent, Frondiensten und Erbschaftsgebühren und dergleichen einnahm, war lächerlich gegen die Umsätze der neuen Herren. Längst standen die Paläste der Großhändler und Fabrikanten den Stadthäusern des Adels in nichts mehr nach.
    Doch sollte es jenen geistlosen Großkrämern jetzt zukommen, die Entwicklung der Welt zu lenken? Das sollten die neuen Herren sein, die den Adel über kurz oder lang in die Bedeutungslosigkeit hinabstufen würden? Ungebildete Handwerker, feiste Geldsäcke, die lediglich die Nase in den Wind gehalten hatten, deren Weitblick nur die Strecke von einem Bilanzabschluss zum nächsten kannte, die keinen Dunst von Kultur und jenem tiefen Wissen haben, das die Angehörigen des Adels über Generationen angehäuft hatten? Viktor von Playen graute es, wenn er daran dachte.
    Was aber konnte dagegen unternommen werden? Den Führungsanspruch des Adels noch von Gottes Gnaden abzuleiten, war natürlich längst lächerlich. Wenn aber weder göttliche Gesetze noch wirtschaftliche Macht ins Feld geführt werden konnten, so musste der Adel seine Führerschaft in geistigen Dingen beweisen – in Wissenschaft, in Kultur, in Philosophie. Der Baron kannte eine Unmenge von Edelmännern, die sich in kostspieliges Mäzenatentum stürzten, selbst eifrig Dramen verfassten, sich mit naturwissenschaftlichen Theorien überboten und die Geschichte bis tief in die frühe Antike nach der Weltformel durchforschten. Das jedoch waren nur jene, die das Ende vorausahnten. Die anderen seiner Standesgenossen, die sich noch in den Bezirken der politischen Herrschaft tummelten, waren zu sehr mit dem Erhalt ihrer Macht beschäftigt, um zu erkennen, dass sich die Welt um sie herum wandelte. Sie reagierten aufjede Kritik mit kopfloser Empörung. Statt beherzt Reformen anzugehen, überschlugen sie sich in drakonischen Maßnahmen, bauten ihre Geheimpolizei aus, verschärften die Gesetze und etablierten eine inquisitorische Zensur.
    Dabei musste jeder halbwegs helle Kopf erfühlen, dass dies alles nur das Ende beschleunigen würde.
    Damit war der Freiherr nicht alleine. Als einer seiner Freunde ihm schließlich unter dem Siegel strenger Verschwiegenheit gestand, sich einem geheimen Zirkel angeschlossen zu haben, welcher genau jene Ideen vertrat, die auch ihn bewegten, hatte er nicht gezögert. Es hatte nicht lange gedauert, dann war Schloss Playen eine colonie des Bundes.
    Um die nötige Geheimhaltung gewährleisten zu können, tarnte man die Treffen als gelehrte Diskussionen über die Lehren der Antike. Längst waren hochrangige Wissenschaftler, Beamte und Diplomaten zu ihnen gestoßen. Aber noch war ihr Einfluss zu gering. Es musste weiter geworben werden. Die Künste waren dem Baron dabei ein besonderes Anliegen – auch er hatte sich in seiner Jugend als Dramatiker versucht.
    Was Monsieur Schikaneder gestern von sich gegeben hatte, hatte es ihm angetan. War das Theater nicht jenes Medium, das – wie die Musik, aber auf anderer Ebene – die Menschen direkt berührte? Konnte Schikaneder nicht zu einem jener Köpfe werden, mit deren Hilfe die neuen Ideen populär zu machen wären?
    Befriedigt hatte er wahrgenommen, dass sich der junge Herr Mozart und Monsieur Schikaneder nach anfänglichem Geplänkel sehr schnell aufs Prächtigste verstanden hatten. Nach dem nächtlichen Besuch in seinem ›Ägyptischen Hain‹ spekulierten sie sogleich über gemeinsame Projekte. Die Aussicht darauf, dass sich das vor Vitalität strotzende und – nach allem, was er davon gesehen und gehört hatte – höchst erfolgreiche Theater Schikaneders mit der Musik Wolfgang Mozarts zu etwas Neuen verschmelzen würde, versetzte ihn in erwartungsvolle Erregung.Vor allem daran dachte er, als er an diesem Vormittag im Zimmer umherging. Er war ausgeruht und ausgeglichen, nicht verbittert wie viele seiner Standesgenossen, stand nicht vor dem Abgrund der Bedeutungslosigkeit. Was sein Leben auffüllte, würde strahlende Zukunft sein. Eine neue Welt, angeleitet von einer Elite des

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