Der Sommer der Gaukler
Montan-Entrepreneur.«
Paccoli breitete die Arme aus. »Aber welche Frage, Herr Richter! Ich hatte das außergewöhnliche Vergnügen, seinem ›Hamlet‹ im Hoftheater beizuwohnen! Unvergleichlich!«
Schikaneder wehrte bescheiden ab.
»Pardon, Monsieur Schikaneder!«, rief Paccoli. »Das muss ich dem Herrn Richter berichten: Zweimal rief ihn das rasende Publikum wieder auf die Bühne, um ihn den letzten Akt wiederholen zu lassen!«
»Vortrefflich.« Der Richter verschränkte die Hände hinter seinem Rücken. »Dürfte ich jedoch nach dem Begehr des Herrn Direkteur fragen? Meine Zeit ist leider sehr begrenzt. Ich habe mit Herrn Paccoli wichtige Planungen zu bereden. Und zugleich die Frage, Herr Direkteur – erfordert die Angelegenheit Diskretion, oder kann Monsieur Paccoli unserem Gespräch solange beiwohnen?«
Schikaneder musterte Paccoli mit einem Lidschlag. Der Unternehmer schien das Theater zu lieben.»Keinesfalls. Es ist zudem nichts, was die kostbare Zeit von Euer Gnaden über Gebühr beanspruchen würde. Eine pure Formalie.«
»Nun, dann – ?«
Schikaneder verbeugte sich leicht.
»Gewähren Euer Gnaden gnädigst die Genehmigung zur Aufführung eines Charakterstückes im Orte?«
»Etwa hier?«, platzte Paccoli ungläubig heraus. »Vor diesen Kloben?«
Ratold streifte ihn mit einem zustimmenden Blick.
»Gestatten Sie ebenfalls eine gewisse Verwunderung, Monsieur«, sagte er.
»Ich verstehe Sie.« Schikaneder lächelte gewinnend. »Gewiss, auch meine Compagnie, die Schikanederische Schau- und Opernbühne, ist erstklassiges und hochmögendes Publikum gewohnt. Doch nachdem wir nun schon seit beinahe drei Wochen der Ehre teilhaftig werden durften, in dieser Ihrer wahrlich idyllischen, jeder städterischen Dekadenz abholden Hofmark zu Gast sein zu dürfen, sind wir von einem gewissen Hunger des einfachen Volkes nach geistiger Erhöhung berührt worden. Es ist daher unser sehnlicher Wunsch, uns damit für die uns gewährte Gastfreundschaft erkenntlich zeigen zu dürfen.«
Ratold knetete sein Kinn.
»Nun... Erhöhung... Ich meine, auch im Geistigen sollte doch an der gottgefügten Ordnung zwischen Oben und Unten nicht gerührt werden.«
Schikaneder nickte mit Nachdruck.
»Euer Gnaden haben vollkommen Recht. Das von uns erwählte Stück jedoch hat geradezu zum Thema, die Legitimität der gottgefügten Ordnung erneut zu bestätigen!«
Er zog das Textbuch hervor, das er bis dahin unter seinen Arm gepresst hatte, und hielt es dem Richter entgegen.
»Darf ich mir erlauben, es Euer Gnaden zum Behufe aller- gnädigster Zensurierung zu überreichen?«Zögernd nahm Ratold das Buch in die Hand. Er schlug die erste Seite auf.
» Agnes Bernauerin ... hm... Oh! Graf von Toerring ist der Verfasser?«
Schikaneder nickte nachdrücklich.
»In Person.«
Ratlos ließ der Richter die Seiten durch seine Finger gleiten. Würde er den ganzen Sermon lesen müssen?
»Nun, Theater... Herr Direkteur verstehen, dass ich bei allem eine gewisse Skepsis pflege, was das Volk zu Müßiggang verführen könnte.«
Schikaneder hatte tiefstes Verständnis; er war die strahlende Zuversicht in Person: »Eine geneigte Zensurierung nähme sie Euer Gnaden mit Sicherheit! In diesem Stück ist von nichts anderem die Rede als von hoher vaterländischer Pflicht! – Ich darf Euer Gnaden doch Karten in bester Position expedieren lassen? – Auch Ihnen, Monsieur?«
Ratold schwenkte das Textbuch unschlüssig in der Hand.
»Aber – wo wollen Sie die Aufführung überhaupt exekutieren? Sie werden sicher bereits wahrgenommen haben, dass unser Ort über keine geeignete Lokalität verfügt.«
»Im Freien, Euer Gnaden. Ort und Landschaft dieser Ihrer herrlichen Hofmark bilden eine Kulisse, wie sie kein Künstler idealer gestalten könnte.«
»Hm, das... das, Sie verstehen, erfordert ein wenig Reflexion, Monsieur Schikaneder. Mit einem derartigen Ansinnen wurde ich noch nie konfrontiert.« Ratold sah auf. »Ich werde das Für und Wider gründlich abwägen und Ihnen umgehend Nachricht zukommen lassen.«
Schikaneder verstand den Wink. Er verneigte sich tief, ließ noch einmal sein gewinnendstes Lächeln sehen und ging.
»Äußerst kurios«, bemerkte Ratold. »Dieser Monsieur Schikaneder ist zweifellos ein Mann von angenehmer Kultur, anders als die dahergelaufenen Grimassenreißer, die ich bisher kennen lernen musste. Aber gerade deshalb frage ich mich,was ihn dazu bewegt, Perlen vor die Säue zu werfen. Nein, ich –«
»Wenn Sie meine
Weitere Kostenlose Bücher