Der Sommer der Gaukler
Holzhammer auf die Tischplatte.
»Genug! Ihre pflichtvergessene Herumtreiberei des Nächtens ist erwiesen! Und Ihre freche Einlassung ist eine hübsche und unwiderlegliche Demonstration für die zweite Klag. – Babett Hausmannin, über Sie wird weiters Klag geführt, dem Willen Ihres Dienstherrn nicht allzeit fügsam zu folgen und ihm Respekt zu versagen, indem Sie sich seiner Fürsorg nicht dankbar zeigt, des Öftern mit Widerwort, gar mit hinterkünftiger Red repliziert.«
Babett konnte mit diesem Wort nichts anfangen. Ratold deutete ihr Schweigen anders.
»Sie streitet nicht ab«, stellte er fest. »Dann zum Dritten. Babett Hausmannin, gegen Sie wird ebenfalls Klag geführt, dass Sie sich des Öfteren in schändlich kurzen Röcken zeigt, das Haar ohne Kopftuch und wild trägt –«
»Wie eine Hex! Ja!«, schrie der Kolber.
Babett drehte sich empört zu ihm.
»Hast geschpächt! Geschpächt hast!«
Sie wandte sich wieder dem Richter zu und deutete mit zitternder Hand auf den Wirt.
»Gnä’ Herr! Er – er – er – er ist es, der wo –«
Unter den Zuschauern wogte wieder empörtes Gemurmel auf. Die Köchin hatte ihre Hände gefaltet.
»Sags, Babett«, flüsterte sie. »Sags endlich!«
Der Knecht Gidi beugte sich zu ihr herab.
»Was solls sagen?«
»Nichts, Depp«, murmelte sie.
»Ruhe!«, wetterte Richter Ratold. »Genug! Du gehässige Metze! So dankt Sie Ihrem Dienstherrn die Fürsorg?«
Babett brach in Tränen aus.
»Ich... ich geh allerweil in die Mess...«
»Ja! Ha!«, geiferte der Wirt. »Damits net aufkommt, deine Schandhaftigkeit! Aber jetzt hat er dich aufgebracht, unser Herr Richter!«Ratold winkte geschmeichelt ab. Der Hammer krachte auf den Tisch.
»Babett Hausmannin! Da die Ihr zur Last gelegten Verfehlungen außer Zweifel stehen, Sie uns selbst die schönsten Beweise für Ihre Verstocktheit gegeben hat und damit die dringlichste Notwendigkeit erwiesen ist, dass Ihr Ihre Zuchtlosigkeit nur durch nachhaltige und schmerzhafte Züchtigung ausgetrieben werden kann, verurteile ich Sie zu dreimal fünfundvierzig Kreuzer Strafe, oder –«
Sepha schlug entsetzt die Hand vor den Mund.
»So ein Haufen Geld!«
»Wenn Sies nicht binnen dreier Tage bezahlt, zu dreimal sechs Stunden Stehen in der Pranger-Geigen, zu Ihrer Schand und«, er fixierte die Zuschauer streng, »zur Erziehung aller, die Ihrem sträflichen Beispiel zuweilen gern folgen möchten!«
Babett stand wie vom Donner gerührt.
»Nein...«, flüsterte sie, »... net die Geigen...«
Der Hammer des Richters knallte wieder auf die Tischplatte. »Die Verhandlung ist beendet!«
Ratold stand auf und ließ seinen Blick ein letztes Mal durch den Raum schweifen. Eigenartig – sonst arteten diese Verhandlungen doch immer in ein schadenfrohes Gaudium aus? Das Publikum heute war jedoch merkwürdig zurückhaltend gewesen. Laut war es immer nur dann geworden, wenn der Wirt das Maul aufgemacht hatte. Egal. Dem Recht war Genüge getan. Er hatte außerdem noch eine wichtige Verabredung.
24
P accoli wartete bereits in seinem Amtszimmer auf ihn. Ratold verstaute die Akte im Schrank. Er seufzte.
»Ach! Wie glücklich könnte dieses Völkchen sein, wenn ihm nur ein wenig Zucht anzuerziehen wäre. Es ist wirklich harte Fron.«
Paccoli nickte verständnisvoll. Ratold ließ sich auf seinen Sessel fallen.
»Diese Unterbrechung war nicht vorgesehen, Monsieur Paccoli. Sie entschuldigen die kleine Verzögerung?«
Paccoli nickte großzügig: »Aber gewiss, Herr Richter.« »Besten Dank. Fahren wir also fort, Monsieur. Wie steht es mit
Ihren Gruben? Dass ich voller Anteilnahme für das Ihnen kürzlich widerfahrene Unglück und Ihre Not mit Ihren Pachtnehmern bin, muss ich nicht betonen. Aber was sind Ihre Pläne?« Paccoli legte die Hände übereinander.
»Nun, die Grube auf der Kogelscharte ist nicht wieder zu aktivieren.«
Der Richter bemühte sich, sich seine Beunruhigung nicht anmerken zu lassen.
»Aber – warum nicht?«
»Der Bau dürfte zwar noch einigermaßen ergiebig sein, doch das Gestein ist an dieser Stelle zu brüchig. Das bisherige Personal hat sich außerdem als nicht ausreichend qualifiziert erwiesen, sonst wäre es nicht zum Einsturz gekommen. Ich sehe keinen anderen Weg, als die Pachtverträge aufzulösen.«»Monsieur Paccoli! Sie schließen die Gruben? Und was ist mit meinen – eh –«, Ratold senkte die Stimme. »Sie verstehen, Monsieur Paccoli! Meine persönliche Ökonomie beruht zu einem nicht geringen Teil auf – eh
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