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Der Sommer der toten Puppen

Der Sommer der toten Puppen

Titel: Der Sommer der toten Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Hill
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Fuß der Treppe, gleich bei der Tür zum Wohnzimmer. Ihm war anzusehen, dass er nichts lieber wollte, als endlich zu gehen.
    »Salgado, übernimmst du? Ich glaube allerdings nicht, dass ihr heute Abend noch mit den Martís sprechen könnt.«
    Sie hörten Reginas heisere, angespannte Stimme:
    »Ich will kein Beruhigungsmittel. Ich will mich nicht beruhigen! Ich will mit Gina gehen. Wo bringt ihr sie hin?« Regina löste sich aus den Armen ihres Mannes und schritt auf die Tür zu, sie rannte fast, wollte die Beamten einholen. Doch an der Schwelle blieb sie plötzlich stehen. Ihre Beine knickten ein, und sie wäre zu Boden gesunken, wenn Héctor nicht bei ihr gestanden und sie gehalten hätte.
    Unsicheren Schrittes, wie ein alter Mann, kam Salvador Martí auf sie zu und schaute die Polizisten mit tiefer Feindseligkeit an. All seine Eloquenz war dahin, und er sagte nur:
    »Können Sie uns für heute in Frieden lassen? Meine Frau braucht Ruhe.«
    Es war kaum zu glauben, wie still die Straße dalag angesichts des Dramas, das sich nur wenige Meter entfernt abspielte. Wenn im Sommer das Viertel an Wochenenden schon menschenleer war, musste nach der tagelangen Bruthitze ein wahrer Exodus eingesetzt haben. Die Geschäfte waren geschlossen, die Cafés lagen im Dunkeln, es gab Parklücken zu beiden Seiten der Straße; mitten auf der Via Augusta führte ein Herr mittleren Alters einen Hund spazieren. Ein Bild desFriedens, aufgestört nur vom Blaulicht der Polizeiwagen, die sich geräuschlos entfernten.
    Wortlos schlenderten Héctor und Leire bis zur Diagonal. Unbewusst suchten sie das Licht, Verkehr, ein Gefühl von Leben. Leire dachte an Tomás, der sicher auf sie wartete, aber ihr war nicht danach, mit ihm zu sprechen, zumindest jetzt nicht. Héctor zögerte den Moment hinaus, Joana anzurufen und ihr von dem Geschehen zu erzählen, er wusste nicht genau, was er ihr sagen sollte, und musste erst seine Gedanken ordnen. Auch schmeckte es ihm nicht, in seine Wohnung zurückzukehren, wo ihn jederzeit eine fürchterliche Überraschung erwarten konnte. Das Bild seiner selbst, wie er unerbittlich auf diesen Mistkerl einschlug, war nicht leicht zu vergessen.
    »Ich habe gesehen, was du mir zu Aleix Roviras Handy-Gesprächen hingelegt hast«, sagte er schließlich und erzählte von seinem Gespräch mit Óscar Vaquero. Dass Aleix womöglich mit Drogen handelte, konnte mit dem Kleindealer zu tun haben, den er angerufen hatte, diesem Rubén. Merkwürdiger aber war, dachte Héctor, dass er Regina Ballester angerufen hatte. Und er sprach weiter, ohne ihr Zeit zu geben, etwas zu sagen, als spräche er mit sich selbst: »Ich glaube, langsam bekomme ich eine Vorstellung von dem Abend. Es war Johannisnacht, ein guter Tag für Aleix und seine Geschäfte. Gina sagte uns, er sei später gekommen, er musste also schon etwas verkauft haben, aber bestimmt hatte er noch mehr. Er erhielt einige Anrufe, und wenn wir annehmen, dass er in dem Gewerbe tätig war, müssen es mögliche Kunden gewesen sein. Aber er hat keinen Anruf beantwortet. Und wenn es stimmt, was sein Bruder sagt, ist er gleich von Marc nachhause gekommen. Sollten sie sich tatsächlich geprügelt haben, und das Blut auf Marcs T-Shirt deutet darauf hin, war das Kokain möglicherweise der Grund für den Streit. Oder zumindest mit ein Grund.«
    Leire folgte seinen Überlegungen.
    »Sie meinen, sie hätten sich geprügelt, und dann hätte Marc ihm das Kokain weggenommen? Das würde erklären, warum Aleix auf die Anrufe seiner Kunden nicht reagierte. Aber warum sollten sie sich geprügelt haben? Gina hat uns von einem Streit erzählt. Sie sagte, Marc habe sich verändert, seit seiner Rückkehr aus Irland sei er nicht mehr derselbe gewesen ... Aber es muss einen wichtigeren Grund gegeben haben, einen, der Marc dazu veranlasste, Aleix die Stirn zu bieten und sich an ihm zu rächen, indem er das Kokain verschwinden ließ.«
    »Aleix hat sie beide dominiert. Und Marc hat aufbegehrt.«
    »Wollen Sie damit sagen, Aleix könnte zu Marc zurückgekehrt sein, um eine offene Rechnung zu begleichen? Und hätte dann Gina getötet und ihren Selbstmord vorgetäuscht, damit sie ihn nicht verrät?«
    »Ich will sagen«, meinte Héctor, »dass wir besser keine Schlüsse ziehen, solange wir den Jungen nicht nach allen Regeln der Kunst vernommen haben. Und außerdem sollten wir seinem Freund Rubén eine kleine Falle stellen. Ich will die beiden schwitzen sehen.« Und nach einer kurzen Pause: »Dann haben wir noch

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