Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommer der toten Puppen

Der Sommer der toten Puppen

Titel: Der Sommer der toten Puppen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Hill
Vom Netzwerk:
aufgelöst, sie bestürmten sie nur umso heftiger. Sie musste der Sache weiter auf den Grund gehen, auch wenn sie Héctor Salgado mehr als jeden anderen ihrer Kollegen schätzte. Vielleicht auch ebendrum.
    Sie hatte nur einen einzigen Faden, an dem sie ziehen konnte, bevor sie ihren Freund mit der Frage konfrontierte, ob er, wie diese Rosa behauptete, Omar an dem Nachmittag seines Verschwindens gesehen hatte. Es war ein Schuss ins Blaue, aber den Versuch war es wert. Der verdammte Schweinekopf war von einer Metzgerei geliefert worden, die den zweifelhaften Doktor mit dergleichen Delikatessen versorgte. Vielleicht hatte er ihn ja selber bestellt, so wie immer. Und als sie die Tür des Geschäfts aufstieß, nicht weit von der Praxis des Doktors entfernt, wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass es auch diesmal Omar gewesen war, der die widerliche Bestellung aufgegeben hatte.
    Der Laden war leer, was Martina kaum verwunderte: Samstagmittag, zu heiß, um einkaufen zu gehen. Dazu von der Sorte, die ihre Mutter pikiert als zweitklassig bezeichnet hätte. Hinter der Theke schaute ein dicker Mann mit einer Schürze, die nie wieder weiß würde, sie breit lächelnd an. Eine Willkommengeste, die sich gleich verflüchtigte, als sie ihm zu verstehen gab, dass ihr Besuch nicht gerade zum Ziel hatte, den eigenen Kühlschrank mit Koteletts zu bestücken.
    »Das hat man mich doch schon gefragt«, sagte der Inhaber missmutig. »Was soll ich Ihnen noch sagen? Wenn einer einen Schweinekopf bestellt, bekommt er ihn. Was die Leute damit machen, ist nicht meine Sache.«
    »Schon klar. Aber die Nachfrage wird nicht allzu groß sein, oder? Ich meine, sie haben normalerweise keine im Laden, zum Verkauf ...«
    »Den ganzen Kopf natürlich nicht. Aber Sie wissen ja, vom Schwein wird alles verwertet«, und der Metzger blickte stolz.
    »Ist der Doktor immer persönlich hergekommen? Oder hat er per Telefon bestellt?«
    »Am Anfang persönlich. Dann per Telefon.« In dem Moment kam ein etwa fünfzehnjähriger Junge, das lebende Abbild des Inhabers, nur im Kleinformat, aus den hinteren Räumen. »Mein Sohn hat ihm die Bestellungen geliefert, nicht wahr, Jordi? Wir sind ein kleiner Betrieb, meine Dame, man muss die Kundschaft pflegen.«
    Und auch die Fenster putzen, dachte Martina.
    »Haben Sie beim letzten Mal den Anruf entgegengenommen oder Ihr Sohn?«
    »Ich«, sagte der Junge.
    »Weißt du noch, wann er angerufen hat?«
    »Zwei oder drei Tage vorher oder so.« Der Junge machte nicht gerade den Eindruck eines Genies, und besonders interessiert an dem Gespräch war er auch nicht. Doch plötzlich schien er sich an etwas zu erinnern. »Obwohl, beim letzten Mal hat nicht er angerufen.«
    »Nicht?« Die Unterinspektorin versuchte ihre Nervosität zu überspielen. »Wer dann?«
    Der Junge zog die Schultern hoch. Sein Mund stand halb offen. Martina hätte ihn am liebsten geschüttelt, um ihm dieses dumme Gesicht auszutreiben. Aber sie lächelte nur und fragte:
    »War es sein Mitarbeiter?« Sie wusste nicht, ob Omar einen hatte, aber es war das Einzige, was ihr einfiel.
    »Keine Ahnung.« Jordi kramte nach einer Erinnerung, erkennbar an seinem jetzt noch offeneren Mund.
    »Was hat er dir gesagt? Wirklich, es ist wichtig.«
    »Na, das.«
    Martina biss sich auf die Lippen, doch den Juniormetzger musste es animiert haben, weiterzusprechen.
    »Es war ein Mann. Er hat gesagt, er ruft für den Doktor an, wir sollen ihm am Dienstag einen Schweinekopf bringen, am späten Nachmittag.«
    »Und das hast du gemacht?«
    »Klar, ich habe ihn selber gebracht.«
    »Hast du Omar gesehen?«
    Der Junge schüttelte den Kopf.
    »Nein, der Mann hat gesagt, der Doktor wäre beschäftigt. Er hätte Besuch.«
    »Derselbe Mann? Woher weißt du, dass es derselbe war?«
    Jordi schien die Frage zu verwundern.
    »Wer sollte es denn sonst sein?« Als er sah, dass seine Antwort die anspruchsvolle Besucherin nicht befriedigte, erinnerte er sich weiter. »Außerdem hatte er denselben Akzent.«
    »Was für einen Akzent?«
    »Südamerikanisch. Na ja, oder so ähnlich.«
    Martina Andreu musste sich zusammenreißen, um die Antwort nicht aus ihm herauszuprügeln.
    »Denk mal scharf nach«, sagte sie sanft. Sie suchte nach einem Bezug, mit dem der Junge etwas anfangen konnte. »Hat er gesprochen wie Ronaldinho? Oder eher wie Messi?«
    Die Erinnerung des Metzgerlehrlings klarte schlagartig auf, und er lächelte wie ein glückliches Kind.
    »Genau! Wie Messi.« Er hätte Visca el Barça!

Weitere Kostenlose Bücher