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Der Sommer der Toten

Der Sommer der Toten

Titel: Der Sommer der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael T. Hinkemeyer
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runtergeschlagen.«
    Und Aggie lag da und mußte es hinnehmen.
    Ein paar Schritte weiter stand Otto Ronsky, hörte alles mit und reagierte auch nicht. Ja, es sah aus, als nicke er sogar. Auch seine Frau sagte nichts. Alle in der Aufbahrungshalle – alle im Dorfe schienen die Tatsache hinzunehmen, daß Butch schuldig war, und damit hatte sich die Sache.
    »Und ich mußte ein großes Haarteil verwenden«, fuhr Dolph Pelser fort. »Paßt genau zu ihrem echten Haar, zu dem Rest auf der anderen Seite.«
    Die Anwesenden brummten zustimmend und rückten näher an den Sarg heran, um einen letzten Blick auf die alte Aggie zu werfen.
    »Staub zu Staub«, äußerte Otto Ronsky trocken. Er dachte an Aggies Grundbesitz. Um ihn herum wurde gedrängelt und geschoben, weil jeder möglichst nahe an den Sarg heran wollte, aber dabei ließ sich niemand in den üblichen Gesprächen über Vieh und Ernte stören. Und Barney, der Polizist, stand da und wiederholte mindestens zum neunzigsten Mal – wobei seine Begeisterung durch die Wiederholung keineswegs gedämpft wurde –, wie er den Täter gefaßt hatte.
    »Ich habe alle Beweise beisammen, und morgen geht es mit dem Riesenschwachkopf ab nach St. Cloud. Ich werde ihn hinten in meinem Einsatzwagen anketten …«
    Und David wird nicht da sein, dachte Katie. Warum wollte Barney Butch auf einmal nach St. Cloud schaffen, wo er sich doch gestern noch strikt weigerte?
    »… und wir werden dem armen Teufel eins …« er warf einen Blick auf den Sarg, »die Höchststrafe anhängen, das steht fest.«
    Keiner wollte sich hier lange aufhalten. Zu Hause gab es zu tun, das Essen mußte zubereitet werden, Kinder gefüttert, Verwandte besucht – lebendige oder tote –, sonntags war der Tag für einen Rundgang auf dem Friedhof – und schließlich die übliche Sonntagnachmittagsroutine. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, es blieben heute doch alle ein wenig länger als beabsichtigt.
    Die schimmernden Eichentüren der Halle waren schwer, hoch und breit. Als daher die große Doppeltür aufgerissen wurde, konnte dies niemand überhören. Mindestens fünfzig Menschen drehten sich erschrocken um und sahen Hercules Rasmussen, der lief, was die Beine hergaben, das Gesicht vor Angst verzerrt, den Mund in wortlosem Aufschrei flehend aufgerissen. Und dahinter, zwischen Hercules und dem Flecken Himmel hinter ihnen beiden, das Gesicht zu einer Maske des Schreckens und der Verwirrung verzerrt, mit blutiger Stirne und aufgerissenen Händen Butch Ronsky.
    Hercules schrie im Laufen atemlos: »Hiiiilfe!«
    Und die anderen: »Verdammt, er hat sich losgerissen!« -»Zurück!« – »Faßt ihn!« – »Otto, es ist dein Junge!«
    Der Raum verwandelte sich in ein Tollhaus. Frauen kreischten und drückten sich an die Wände. Viele der Männer standen wie angewurzelt und konnten es nicht fassen. Papa, Otto Ronsky und einige andere bewegten sich vorwärts. Doc Bates lief hinter einen kleinen verschiebbaren Wandschirm neben dem Sarg. Viel war es nicht, aber er bot Schutz oder zumindest ein Versteck. Für einen Dummkopf hatte der Arzt sich nie gehalten.
    Im Laufen warf Hercules mehrere Stühle um. Augenrollend hielt er ebenfalls Ausschau nach einem Schlupfwinkel. Er fand keinen. In der Gewißheit des sicheren Todes zog er bereits den Kopf ein. Doch als Butch Ronskys riesige Masse gegen ihn krachte und die beiden zu Boden gingen, merkte er mit freudigem Erstaunen, daß Butch eigentlich gar nicht hinter ihm her war. Butch war ihm einfach in blinder Panik und Verwirrung nachgelaufen. Der angstgepeinigte Schwachsinnige hatte nicht die leiseste Ahnung, wohin er lief, wo er sich befand und was um ihn herum vorging.
    Die Männer kreisten ihn jetzt ein.
    »Otto!« schrie einer. »Rede mit ihm!«
    Und Otto unternahm den Versuch, er konnte nicht umhin, aber Butch war nicht mehr ansprechbar.
    Papa packte die Riesenfaust und faßte nach seiner Schulter. Butch knurrte böse und zog den Arm zurück. Papa wurde weggeschleudert. Zwei anderen erging es ähnlich. Sie wurden von dem Riesen wie lästige Fliegen abgeschüttelt und landeten irgendwo auf dem Boden. Dann unternahmen einige Männer einen gemeinsamen Angriff – und das alles im Zeitraum von Sekunden, während die Frauen noch immer kreischend zurückwichen. Die Männer brachten den Riesen für einen Augenblick zu Boden, ehe er sie abschüttelte und wieder auf die Beine kam.
    »Weeeeeh!« brüllte Butch.
    Die Männer, die wieder gemeinsam vorgehen wollten, hielten inne. Butch sah

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