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Der Sommer der Toten

Der Sommer der Toten

Titel: Der Sommer der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael T. Hinkemeyer
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durcheinander und verängstigt und …«
    David ließ den Motor aufheulen.
    »Weißt du noch, wie dein Alter mir riet, ich sollte die Türangeln entfernen, wenn ich so dringend in den Keller hinuntermüßte?« Sie wußte es noch.
    »Na, und ich habe es probiert. Unmöglich. Die Türangeln der Kellertür sind fest verlötet. Sie lassen sich nicht ausheben.«
    »Was?«
    »Überrascht? Verlötet und doppelt abgeschlossen. Nur um Aggie vom Keller fernzuhalten. Ziemlich viel Mühe, wie?«
    Katie wußte nicht, was sie darauf sagen sollte.
    »Na, wenn du glaubst, du wärest hier sicher, dann wird es schon seine Richtigkeit haben«, sagte er mit bitterem Unterton. »Papa wird seinem Mädchen doch nichts tun. Sei trotzdem vorsichtig!«
    »Ich rufe dich an«, sagte sie, »für den Fall, daß etwas passiert.«
    »Tu das«, erwiderte er tonlos. »Wie letztes Mal.«
    Und als sie sich niederbeugen und ihm durch das Fenster einen Kuß geben wollte, rollte der Wagen bereits. Schnell war er draußen auf der Zufahrt und wirbelte Staub auf. Die Brückenbohlen rumpelten nicht mehr, sondern grollten nur leise, als die Reifen darüberrollten.
    Katie blieb allein auf dem Hof stehen. Die Sonne ging eben unter. Schon schob sich der Schatten der Scheune näher. Sie fror. Und dann spürte sie, wie der Schatten von ihr Besitz ergriff – trotz ihrer zärtlichen Erinnerungen und Hoffnungen.

 
Sonntagabend
     
     
I
     
    »Papa, warum war Robert heute so merkwürdig? Warum hat er Judy angefallen?«
    Ihr Vater genehmigte sich einen Schluck Apfelschnaps und setzte das Glas ab.
    »Soviel ich sehen konnte, hat er sie nicht mal berührt!«
    »Papa! Das war ein richtiger Angriff. Wäre David nicht dazwischengetreten, wer weiß …«
    Papa stieß ein verächtliches Schnauben aus, versagte sich aber eine Antwort.
    »Benimmt sich Robert nicht sehr sonderbar? Für einen Hund seines Alters?«
    »Mir kommt er vor wie immer.«
    »Und sein Fell ist … so dicht und glänzend. Es sah doch immer richtig mausig aus.«
    »Es ist Sommer. Den Winterpelz wurde er schnell los, weil er immer draußen in der Scheune schläft. Ein zäher alter Köter. Na, und alte Hunde sollen sich manchmal sonderbar benehmen. Wie alte Menschen, nicht?«
    Katie ließ sich das durch den Kopf gehen.
    »Papa, sag mir die Wahrheit.«
    Ihr Vater blickte sie an. Sein Blick war ruhig und klar.
    »Schieß los.«
    »Geht hier in der Gegend etwas vor? Etwas, das ich nicht erfahren soll?«
    »Nicht daß ich wüßte«, erwiderte er und tat ihre Frage damit ab. »Hier tut sich manches, aber nichts, was du nicht wissen darfst.«
    »Manches wundert mich sehr.«
    »Ach?«
    »Was ist mit dem Keller los?«
    Er schien sich unmerklich in seinem Stuhl zurechtzusetzen und nahm wieder einen Schluck.
    »Was soll damit sein?«
    »Die Tür ist noch immer verschlossen.«
    Er sah zu der Tür hinüber, als sähe er sie zum ersten Mal.
    »Na, ist sie eben verschlossen. Ich muß mich mal auf die Suche nach diesen verdammten Schlüsseln machen …«
    »Ist im Keller etwas, das ich nicht sehen soll? Oder nicht wissen darf?«
    »Nicht daß ich wüßte«, sagte er wieder und begegnete ihrem Blick.
    »Ich werde Mama fragen«, entschied sich Katie unvermittelt und stand auf.
    Jetzt schien Papa einigermaßen perplex, aber auch das war nicht sicher. Nach Davids Aufbruch hatte er wieder das elektrische Licht abgeschaltet – »das wirkt so friedlich, richtig wie in alten Zeiten -«, und das gedämpfte Licht der Petroleumlampe machte es so gut wie unmöglich, seinen Gesichtsausdruck zu deuten. Er stand ebenfalls auf.
    »Gute Idee«, sagte er gedehnt. »Bringen wir es hinter uns.«
    Neben Mamas Bett auf dem Nachttisch brannte eine Lampe. Mama döste vor sich hin. Als sie die Augen aufschlug, zeichnete sich Verwunderung in ihrem Blick ab, als sie ihren Mann am Fußende des Bettes erblickte. Eine Mischung aus Angst und Argwohn trat in ihren Blick.
    »Mama, ich bin noch immer dabei herauszufinden, was dir Angst macht.«
    Aus den Augen ihrer Mutter schien eine Warnung zu dringen. Und dann ließ sie ihre Blicke wieder rasch über die Decke gleiten.
    »Mein Zimmer im Oberstock?«
    Mama blinzelte zweimal. Papa sah es.
    Katie fragte weiter: »Hat dich etwas aus dem Keller erschreckt?«
    Verwirrung. Oder Enttäuschung. Nein, lautete die geblinzelte Antwort.
    Sie stellte die Frage anders. »Fürchtest du dich jetzt vor etwas, das von unten kommt?«
    Wieder Verwirrung. Dann zweimaliges Blinzeln, langsam, widerstrebend fast, als müßte

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