Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Der Sommer der Vergessenen (German Edition)

Titel: Der Sommer der Vergessenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
Vom Netzwerk:
flitzte los
wie ein Brummkreisel. Er umrundete die eine Gruppe großzügig, nur um durch die
nächste hindurch zu marschieren. Rolo hatte keine Wahl, als ihm möglichst auf
dem Fuß zu folgen. Hwarf war trotz seines Zustandes und seiner nicht unwesentlichen
Körperfülle sehr schnell. Sie gingen durch eine Gasse zwischen ein paar
Tischen, und Rolo nutzte die Chance, dichter zu Hwarf aufzuschließen.
    „Na, nicht
müde werden, Herr Blutgut. Auf ins Gefecht.“ Er schlug einen plötzlichen Haken
und hielt auf die nächste Theke zu. „Zwei Mal wie immer, Martin!“
    Der Wirt
Martin war ein untersetzter Glatzkopf, und nur Augen und Stirn reichten knapp
über den Tresen. Rolo stellte sich dazu, lehnte sich mit dem Rücken an die
Theke und schaute über den Platz. Die Feiernden im Licht der Fackeln, dazu die
Musik, die ausgelassene Stimmung. Plötzlich dachte er an seine Mutter und daran,
wie gut es ihr hier gefallen hätte. Er griff seinen Becher und leerte ihn in
einem Zug. „Prost“, sagte Hwarf erstaunt.
    „Weiter?“, fragte
Rolo.
    „Weiter!“
    Sie hatten
die Mitte des Platzes erreicht, als Hwarf plötzlich stehen blieb. Unweit vor
ihm standen zwei Männer in dunklen Lederrüstungen. Der eine trug zwei
Krummsäbel, der andere einen Langbogen.
    „Oje, da
fällt es mir wieder ein.“ Hwarf schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn.
    „Was denn?“,
fragte Rolo.
    „Na, die
Wache. Die Nachtwehr. Kjeir war der Befehlshabende. Keine Neolinga am Öhr! Jetzt
fällt es mir wieder ein. Kann nicht zu Adalar, ohne vorher nach dem Rechten zu
sehen. Auf gar keinen Fall!“
    Rolo kam aus
einer Stadt, die schon eine ganze Weile ohne Stadtwachen zurechtkam, und so
hielt er Hwarfs Aufregung für unnötig. Aber wenn es Hwarfs Aufgabe war, wollte
Rolo gern helfen.
    „Das Öhr?“
    „Na, das
Tor!“
    „Dann lass
uns doch gucken gehen, ob alles in Ordnung ist. Ich komme gern mit. Und dann
gehen wir zu Adalar.“
    Hwarf
salutierte. „Hier lang“.
     
    Driftwoods
Befürchtungen wurden wahr. Das Osttor war verschlossen. Er hatte bereits
dreimal laut gerufen, ohne Erfolg. Die Wachtürme lagen dunkel und verlassen.
    „Hey!“,
versuchte er es erneut. Keine Reaktion. Er rüttelte kräftig an den Gittern. „Das
ist jawohl ein Witz. Ich entscheide mich dagegen, in die Stadt einzusteigen und
dann ist keiner da, der mir die Tür öffnen könnte.“
    „Brrr?“,
fragte Kotze.
    „Nein“, antwortete
Driftwood, „das kann ich noch nicht. Zu wenig Übung.“
    „Brrr?“,
hakte Kotze nach.
    „Das ist zu
hoch. Und die Hecke ist zu dicht, da komm ich nicht durch. Außerdem würde Socke
das nicht gutheißen.“ „Brrr“, erklärte Kotze.
    „Ja, das
stimmt. Du könntest durch die Hecke passen. Aber kannst du das Tor öffnen?“
    „Brrr.“
    „Na siehst du.
Also gehen wir zum Haupttor. Verdammt, da werden wir es bestimmt mit gleich
viel mehr Wachen zu tun haben. Aber gut, dann wissen wir, ob unsere Verkleidung
was taugt. Jetzt aber schnell!“
    Mit beiden
Pfoten hielt er Kotze fest und rannte los. Ein Beobachter hätte gedacht, die dunkle
Gestalt hätte Angst, beim Rennen ihren Kopf zu verlieren. Das kam der Sache
eigentlich schon sehr nah.
     
    Rolo und
Hwarf liefen die festlich geschmückte Allee hinauf, über die sie vor wenigen
Stunden den Festplatz betreten hatten. Hwarf schnaubte wie eine Lokomotive. Es
schien ihn zu bedrücken, dass er seine Pflichten vernachlässigt hatte.
    Rolo lief
leichtfüßig neben ihm und überlegte, wie er die Stimmung des Herrn der
Nachtwehr verbessern könnte.
    „Ich find es
super hier“, begann er. „Dieses Fest und all die Leute. Und dann der Auftritt
meiner Tante. Der Wahnsinn.“ Er machte eine Pause, um Hwarf die Möglichkeit zu
geben, etwas zu sagen. Doch Hwarf schwieg. Die Musik und das Geräusch der Menge
hallten durch die Häuserschluchten. „Warum machst du dir denn solche Sorgen?
Deine Leute werden schon alles im Griff haben“, versuchte Rolo es noch mal. „Ja,
wird schon schiefgehen“, erwiderte Hwarf. „Aber die Nachtwehr besteht halt aus
einem Haufen Halbstarker. Da muss jemand stets ein wachsames Auge drauf haben.
Meistens ich.“ Sie liefen durch das geschäftige Viertel.
    „Wieso
Halbstarker? Ich dachte, es wären die Wachen der Stadt?“
    „Die
Nachtwehrer sind die älteren Schüler, die wahrhaft guten Schüler der siebten
Klasse. G ut in den richtigen Fächern. Weil, manche, na ja, nicht dabei
sind. Gäbe nur ein Unglück, wenn sie dabei wären. Kann halt nicht

Weitere Kostenlose Bücher