Der Sommer des glücklichen Narren
heizen wir im Waldhaus, und wenn ich mich mit meinem Sohn unterhalte, lacht er mir freundlich ins Gesicht.
Er hat uns das Leben überhaupt nicht schwergemacht. Er kam pünktlich, bereitete seiner Mutter nicht allzuviel Mühe und entwickelte sich den Sommer über bei frischer Waldluft auf das beste.
Steffi ist eine glückliche Mutter. Und ich liebe sie. Und ich glaube, sie liebt mich auch. Ein Jahr lang sind wir nun verheiratet. Ein Jahr ist keine lange Zeit. Aber ich habe die Hoffnung, daß wir beide uns gut vertragen werden, nicht nur das eine, sondern noch viele kommende Jahre lang.
Das Waldhaus ist unverändert, die Wohnung in der Stadt haben wir behalten und werden während der schlimmsten Winterzeit hineinziehen. Ich kann es mir jetzt auch leisten, Isabel in der Stadt im Reitstall unterzustellen. Dorian wird sich eben auch an das Stadtleben gewöhnen müssen. Wir brauchen ihn als Babysitter. Solange er da ist, kann dem Buben nichts passieren. Dorian rührt sich nicht vom Kinderbett weg.
Das Schwabing-Buch hat einen guten Start gehabt. Und wenn es so weiterläuft wie bisher, haben wir bis Weihnachten eine ganze Menge Geld damit verdient, der Toni und ich. Der Toni übrigens ist ungefähr so lange verheiratet wie wir und hat sich prächtig mit diesem Zustand abgefunden. Bißchen dicker ist er geworden und ein bißchen fleißiger. Ein bißchen nur, nicht viel. Bei meinem alten Verlag ist auch mein neuer Roman herausgekommen und verkauft sich auch so peu á peu.
Bleibt noch nachzutragen, daß es Dorian und Isabel gutgeht, daß sie beide gesund und munter sind. Von meiner kleinen Fürstin habe ich nicht mehr viel gehört. Sie läßt mich grüßen, wenn sie an ihren Onkel, den Grafen Tanning, schreibt, und das geschieht einmal im Jahr, zu Weihnachten. Immerhin hat sie im vergangenen Sommer auf Wotan in Aachen ganz gut abgeschnitten. Es langte nicht zu einem großen Sieg, aber sie war ehrenvoll placiert.
Rosalind ist Frau Killinger und macht sich gut in dieser Rolle. Sie war reichlich indigniert, daß ich ein Kind bekam, und hat es mir bis heute noch nicht ganz verziehen. Lix hatte in ihrem Zeugnis in Mathematik eine Eins, will aber zur Zeit Schauspielerin werden. Ich hoffe, das legt sich wieder. Außerdem hat sie ihren ersten Verehrer. Muni war auch in diesem Jahr in Badgastein. Es hat ihr gut gefallen.
Ach ja, beinahe hätte ich es vergessen: Ich habe meinen Führerschein gemacht.
Ein Auto, eine neue Frau, einen kleinen Sohn, einen sich hoffnungsvoll entwickelnden Bestseller, Reitpferd, Hund, zwei Wohnsitze … ich weiß nicht, ich weiß nicht, so ganz sachte hat mich das Wirtschaftswunder jetzt auch am Wickel. Vielleicht lasse ich ins Waldhaus doch noch ein Telefon legen. Aber sonst bleibt es, wie es ist. Und falls mich mal jemand besuchen will …
Nein, bedaure, ich verrate nicht, wo es ist.
Die allerletzten Worte
Ich verrate es wirklich nicht. Denn ob man es glaubt oder nicht, das Waldhaus existiert noch, so ein treuer Mensch bin ich. Außerdem bin ich der Meinung, daß es auf der Erde keinen schöneren Platz gibt als den, auf dem mein Waldhaus steht: eine knappe Stunde von München entfernt, ein Stückerl über Rosenheim hinaus, mitten in den Chiemgau hinein, irgendwo dann seitwärts in die Büsche.
Es sieht dort genauso aus wie damals. Da hat keiner hingebaut, da gibt es keine neuen Straßen, und in meinem Weiher kann man immer noch baden, weil von nirgendwoher Dreck hineinkommt. Auf dem Hügel liegt noch allerweil der Hof vom Andres, ihm und der Mali geht es gut, bloß der Wastl ist uns ein Stück vorausgegangen. Dahin, wohin wir alle eines Tages gehen müssen. Der Sohn vom Andres übrigens wird den Hof nicht übernehmen; nachdem er lang genug studiert hat, ist er dabeigeblieben, die Landwirtschaft nur mehr theoretisch zu betreiben: Er sitzt heute in München im Ministerium für Landwirtschaft und Forsten. Am End, so meint der Andres, wird er noch mal Minister. Dafür hat die Reserl einschlägig geheiratet, auch einen studierten Landwirt, einen Freund ihres Bruders, der mit ihm zusammen in Weihenstephan war.
Und weil ich diese Geschichte gar so gut finde, will ich sie kurz erwähnen. Also der Sohn vom Andres, ein richtiger bayerischer Bauernsohn, ist nicht auf den Hof zurückgekehrt. Dafür ist einer auf den Hof gekommen, der nie auf dem Land gelebt hat, sich aber nichts sehnlicher wünschte, als ein Bauer zu sein. Seine Familie stammt aus Schlesien, und seine Eltern haben dort einen Hof gehabt.
Weitere Kostenlose Bücher